Japanischer Abstieg

Nur noch Bronze – als Wirtschaftsmacht von China überholt

  • Sebastian Maslow, Tokio
  • Lesedauer: 3 Min.
Die japanische Wirtschaft ist im letzten Quartal 2010 geschrumpft. Damit ist die fernöstliche Wirtschaftsmacht nur noch die weltweite Nummer drei.

Als die Regierung in Tokio kürzlich die Wirtschaftsdaten für das letzte Quartal vorstellte, ging für Japan eine Ära zu Ende. Erstmals seit die ostasiatische Nation 1967 die damalige Bundesrepublik Deutschland als zweitgrößte Volkswirtschaft ablöste, musste Japan nun diesen Platz an die Volksrepublik China abtreten. Demnach lag Japans Bruttoinlandsprodukt (BIP) sieben Prozent hinter dem Chinas zurück – Tendenz weiter steigend.

Japan verbuchte im letzten Quartal 2010 sogar einen leichten Rückgang seiner Wirtschaftsleistung um 1,1 Prozent. Im selben Zeitraum konnte China ein Wachstum von 9,8 Prozent verzeichnen. Auf das gesamte Jahr gerechnet konnte Japans Wirtschaft ein Wachstum von 3,9 Prozent registrieren. Allerdings belief sich das BIP nur auf rund 5,5 Billionen Dollar – China brachte es dagegen auf 5,9 Billionen Dollar.

Der erste Abschwung in Japan seit einem Jahr wird vor allem mit dem Auslaufen großzügiger Konjunkturprogramme sowie einem Ausfuhrrückgang in Folge des starken Yen erklärt. Japans exportorientierte Wirtschaft ist ähnlich der Deutschlands vor allem durch eine schwache Binnennachfrage geprägt. Der Privatkonsum, der einen Anteil von 60 Prozent am BIP ausmacht, ging im letzten Quartal 2010 um 0,7 Prozent zurück. Die staatliche Subventionierung kraftstoffsparender Autos, die den Binnenkonsum stärkte, lief im September aus. Die Prämienprogramme für die Anschaffung von Elektronikgeräten sollen im März zu Ende gehen.

Die Finanzbranche geht indes nur von einem vorübergehenden Abschwung aus. Japans Unternehmen hätten bereits neue Kapitalinvestitionen angekündigt. Außerdem lässt eine verstärkte Nachfrage aus China und den USA die Wachstumsprognosen für die Exportwirtschaft in diesem Jahr positiv erscheinen. So hat der weltweit größte Autohersteller Toyota seine Umsatzprognosen für das im März endende Geschäftsjahr um 40 Prozent angehoben, vor allem wegen der gestiegenen Nachfrage auf den asiatischen Märkten.

Anlass für gesteigerten Optimismus im Hinblick auf eine nachhaltige Erholung der japanischen Wirtschaft geben diese Zahlen allerdings noch nicht. Japans Volkswirtschaft befindet sich bereits seit zwei Jahrzehnten in einer wirtschaftlichen Malaise. Sechs Premierminister in fünf Jahren konnten nicht dazu beitragen, die entscheidenden wirtschaftlichen Reformen auf den Weg zu bringen. Das Land wird von einer gigantischen Schuldenlast erdrückt. Mit dem Doppelten des BIP ist sie die höchste eines Industrielandes. Das massive Haushaltsdefizit von 9,1 Prozent im Jahr 2010 bereitet dem Land besonders mit Blick auf seine rapide Überalterung Kopfschmerzen, welche bei Ausbleiben der nötigen Reformen der Sozialsysteme die Krise weiter verschärfen wird. Anhaltende Deflation, Überalterung und hohe Staatsverschuldung nahmen große Ratingagenturen kürzlich zum Anlass, Japans Kreditwürdigkeit kritischer zu bewerten.

Die Regierung hat angekündigt, mit ihrem Rekordhaushalt für 2011 in Höhe von 92,4 Billionen Yen (820 Milliarden Euro) mehr Schulden zu machen als ursprünglich geplant. Für die Verabschiedung fehlen ihr indes die nötigen Mehrheiten im Parlament. Vor dem Hintergrund der drohenden politischen Krise erklärte Japans Finanzminister Yoshihiko Noda, dass Japan »einen wirtschaftlichen Abschwung riskiere«.

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