Gebremster Stoffwechsel

Schwarzbären in der Winterruhe

  • Walter Willems
  • Lesedauer: 2 Min.

Obwohl Schwarzbären beim Winterschlaf ihre Körperwärme kaum senken, verlangsamt sich ihr Stoffwechsel um rund 75 Prozent. Diese Beobachtung von US-Wissenschaftlern widerspricht der Lehrmeinung, wonach der Energieverbrauch eines Tieres hauptsächlich von seiner Temperatur abhängt.

In der Studie untersuchten die Biologen der Universität von Alaska insgesamt fünf Amerikanische Schwarzbären. Die Tiere waren in der Nähe menschlicher Siedlungen eingefangen und in ein Waldgebiet gebracht worden, in dem künstliche Höhlen für sie bereit standen die mit Infrarotkameras, Bewegungssensoren und Detektoren zur Messung des Sauerstoffverbrauchs versehen waren. Zudem pflanzten die Forscher den Bären Sender ein, die Daten zu Puls, Körpertemperatur und Muskelaktivität übertrugen.

Die im Fachjournal »Science« (Bd. 331, S. 906) veröffentlichten Aufzeichnungen enthüllen einen überraschenden Ablauf. Die Körpertemperatur der Bären schwankte in Zyklen von drei bis sieben Tagen. Fiel die Temperatur auf etwa 30 Grad Celsius, so begannen die Tiere so lange zu zittern, bis wieder 36 Grad erreicht waren. Bislang glaubten Biologen, dass der Stoffwechsel eines Organismus mit jedem Temperaturrückgang um zehn Grad Celsius um die Hälfte abnimmt. Anders beim Ursus americanus: Obwohl die Körperwärme nur um sechs Grad sank, verlangsamte sich der Stoffwechsel um drei Viertel und die Herzfrequenz ging von 55 auf 14 Schläge zurück. Dabei schwankte die Aktivität in Abhängigkeit von der Atmung. »Wenn sie Luft holen, haben sie einen fast normalen Puls«, sagt Erstautor Øivind Tøien. »Aber zwischen den Atemzügen schlagen ihre Herzen sehr langsam. Manchmal vergehen 20 Sekunden zwischen zwei Herzschlägen.«

Als die Bären im April ihr Winterquartier verließen, kam die nächste Überraschung: Erst nach zwei bis drei Wochen kam der Stoffwechsel wieder auf Sommerniveau.

Die genetischen und molekularen Hintergründe des auf Sparflamme laufenden Stoffwechsels dürften auch etwa Mediziner interessieren. »Wenn man bei Opfern von Schlaganfall, Herzinfarkt oder Verletzungen den Stoffwechsel schnell senken könnte, würde man sie in einen stabilen sicheren Zustand versetzen«, sagt Mitautor Brian Barnes. »Damit könnte man Zeit gewinnen, um eine bessere medizinische Versorgung vorzubereiten.«

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