Elefant in meinem Leben
Suze Rotolo tot
Arm in Arm laufen sie an einem kalten Wintertag durch eine Straße New Yorks. Das Foto kam auf das Cover von Bob Dylans zweitem Album »The Freewheelin’ Bob Dylan« – die Platte mit großartigen linken politischen Songs wie »Blowin’ in the Wind« oder »Masters of War«. Die hübsche Blondine an Dylans Seite war seine große Liebe Suze Rotolo, die den jungen Songwriter und Musiker unheimlich beeinflusst hat. Vergangenen Freitag ist sie in New York an Lungenkrebs gestorben.
Rotolo wurde 1943 in New York als Tochter italienisch-stämmiger Kommunisten – die Mutter war Redakteurin und der Vater Künstler und Gewerkschafter – geboren. Beide machten Suze mit Literatur, Musik, Kunst und Politik vertraut. Im Juli 1961 traf Rotolo bei einem Folk-Konzert in Manhattan auf Bob Dylan – sie war 17 und er 20 Jahre alt. Sofort verliebten sie sich ineinander und bald zog Rotolo in Dylans Wohnung ein. Durch ihre umfangreiche Bildung, ihr Interesse fürs Theater und ihre Arbeit bei einer Bürgerrechtsorganisation hatte sie enorme Wirkung auf den jungen Dylan. Sie zog mit ihm durch die Museen, machte ihn mit de Werken von Arthur Rimbaud und Bertolt Brecht bekannt, aber auch mit Themen wie Sozialismus. Dadurch angeregt schrieb Dylan überaus gelungene politische Lieder. Einem Journalisten erklärte er: »Suze kann Ihnen sagen, wie viele Nächte ich aufgeblieben bin und Songs geschrieben habe, die ich ihr dann zeigte und sie fragte: ›Ist das okay so?‹«
Mit Rotolos Mutter kam der junge Dylan jedoch nicht klar, sah diese doch in ihm nur einen Hochstapler. Um dessen Beziehung zu ihrer Tochter zu beenden, überredete sie diese zu einem halbjährigen Studium in Italien – in dieser Zeit schrieb Dylan wehmütige Liebeslieder für Suze. Als sie aber wieder zurück in New York war, kühlte das Verhältnis der beiden jedoch ab, war doch Dylan inzwischen berühmt, oft auf Konzertreise und hatte er doch eine Affäre mit Joan Baez.
1967 heiratete Rotolo einen italienischen Filmredakteur, lebte mit diesem in Italien, dann in den USA (sie bekamen einen Sohn). Sie veredelte Juwelen, arbeitete als Illustratorin und Malerin, wurde 2004 Mitglied einer politisch linken Straßen-Theater-Gruppe. Über Jahrzehnte wich sie allen Fragen zu Bob Dylan aus, obwohl dieser, so Rotolo, »ein Elefant im Zimmer meines Lebens« gewesen war. Erst 2005 wurde sie von Martin Scorsese für dessen Dylan-Dokumentation »No Direction Home« interviewt. Danach schrieb sie über ihre Zeit mit Bob das Buch »Als sich die Zeiten zu ändern begannen«.
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