Teilerfolg für die Neun von Reykjavik

Island: Geldstrafen für Demonstranten

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Proteste gegen die Übernahme von Schulden privater Banken durch den isländischen Staat waren Tumulte und kein Angriff auf das Parlament. Das entschied jetzt ein Gericht in Reykjavik.

Als die isländischen Banken vor zwei Jahren reihenweise pleite gingen und der Staatsbankrott drohte, gingen die sonst ruhigen Isländer zu Tausenden auf die Barrikaden. Das natürliche Zentrum der Proteste wurde Kirkjutorg, Reykjaviks zentraler Platz, an dem auch der Althingi, das Parlament, grenzt. Die Zuschauerplätze auf der Parlamentsgalerie waren zu diesem Zeitpunkt stets gut besetzt, da die Abgeordneten Rettungspläne für die Nation diskutierten.

Am Abend des 8. Dezember 2008 drang eine größere Gruppe Demonstranten in das Parlamentsgebäude ein und protestierte lautstark gegen die faktische Nationalisierung privater Schulden durch die Übernahme der Pleitebanken durch den isländischen Staat. Der Protest wurde vom Wachpersonal als Überfall aufgefasst, die Polizei wurde alarmiert, die alle verfügbaren Mannschaften zum Parlament dirigierte. Neun Demonstranten wurden verhaftet und wegen Rädelsführerschaft und Überfalls auf das Parlament angeklagt. Die Protestierenden mussten mit bis zu einem Jahr Gefängnis rechnen, bis das Reykjaviker Gericht jetzt seinen Spruch fällte.

Die Richter schätzten die Handlungen jedoch keinesfalls als geplanten Überfall der »Reykjavik 9« auf das Parlament ein und sprachen fünf von ihnen völlig frei, während je zwei zu vier Monaten Gefängnis auf Bewährung und einer Geldstrafe von 100 000 Isländischen Kronen (627 Euro) für öffentlichen Tumult verurteilt wurden.

Während einige Parlamentsabgeordnete von viel zu milden Urteilen sprachen, die nicht bestrafen würden, dass die Immunität und die Würde des Althingi verletzt worden seien, erklärten die Anwälte der Verurteilten, dass der Richterspruch das demokratische Recht auf Protest verletze. Ragnar Adalsteinsson, der vier der Angeklagten verteidigte, erklärte gegenüber der Presse, es sei eine traurige Tatsache, dass die erste staatliche Reaktion auf die Bankenpleiten polizeiliche Untersuchungen und Gerichtsurteile gegen Demonstranten waren. Sowohl in Island als auch in einigen europäischen Ländern waren Protestdemonstrationen und Solidaritätskonzerte zur Unterstützung der »Reykjavik 9« organisiert worden. Ob eine der Parteien in die Berufung gehen wird, ist gegenwärtig noch nicht klar.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal