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Madagaskar steckt in der Sackgasse

Politische Krise führt Insel an den Bettelstab – Internationale Sanktionen treffen die Ärmsten

  • Kristin Palitza, Kapstadt
  • Lesedauer: 3 Min.
In Madagaskar ist wieder ein Versuch gescheitert, die seit zwei Jahren andauernde politische Krise zu lösen. Entsprechend bleiben die internationalen Sanktionen bestehen. Das trifft vor allem die Armen im Land – also die große Mehrheit.

Die Hoffnung währte nur kurz. Als wichtigen Schritt zur Beilegung der Staatskrise im afrikanischen Inselstaat Madagaskar hatte Ministerpräsident Camille Vital am Sonnabend eine Übergangsregierung der nationalen Einheit vorgestellt. Sie sollte so schnell wie möglich Neuwahlen ansetzen, erklärte Vital. Die Übergangsregierung basierte auf einem Vorschlag der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrikas (SADC), eine »einvernehmliche und repräsentative« Regierung zu bilden, bis freie und faire Wahlen Ende 2011 oder Anfang 2012 Madagaskar aus der Sackgasse führen sollten.

Doch die Opposition verweigerte ihre Zustimmung, und so dauert die seit zwei Jahren währende politische Instabilität an. Mit fatalen Folgen: Madagaskar, ohnehin eines der ärmsten Länder der Welt, gerät immer tiefer in die Armut.

Seit Andry Rajoelina den damaligen Präsidenten Marc Ravalomanana im März 2009 durch einen Militärcoup stürzte, hat der Inselstaat laut Weltbank 285 Millionen Euro an Entwicklungshilfe verloren. Madagaskar ist stark von internationalen Gebern abhängig. Rund 70 Prozent aller Staatsausgaben – vor allem Sozialleistungen – wurden vor dem Umsturz von Geberländern finanziert. »Die politische und wirtschaftliche Krise hat in Madagaskar einen unbestreitbaren Anstieg sozialen Elends hervorgerufen«, sagen Weltbank-Ökonomen in einem neuen Bericht zur Lage des Landes. Das Einfrieren internationaler Zahlungen hat in den letzten zwei Jahren zur drastischen Kürzung zahlreicher Sozialleistungen, besonders im Gesundheits- und Bildungsbereich, geführt. Da die Regierung pleite ist, müssen nun internationale Hilfsorganisationen für die Rechnung aufkommen. 2010 erhielt Madagaskar laut Weltbank 185 Millionen Euro Nothilfe für Schulbildung, Gesundheit und Sozialfürsorge.

Aufgrund anhaltender Instabilität werden Geberländer ihre Entscheidung, die Entwicklungshilfe zu stoppen, nicht so schnell rückgängig machen. Auch die Afrikanische Union und SADC wollen ihre Sanktionen gegen Madagaskar nicht aufheben.

Das trifft vor allem die Ärmsten. Laut der nationalen Statistikbehörde INSTAT ist der Anteil der Armen von 69 Prozent 2005 auf 76,5 Prozent 2010 gestiegen. Drei Viertel der Bevölkerung verdienen weniger als 165 Euro im Jahr. »Wir sehen eine langsam, aber sicher steigende Armutskrise, vor allem in ländlichen Haushalten«, sagte Krystyna Bednarska, Direktorin des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) auf Madagaskar.

Im Dezember 2010 warnte das WFP, 720 000 Menschen, besonders im Süden der Insel, seien von Hunger bedroht. Die Insel leidet unter steigenden Nahrungsmittelpreisen. Der Preis von Reis, Madagaskars Grundnahrungsmittel, hat sich über die letzten zwei Jahre verdoppelt. Mit 0,70 Euro pro Kilo gilt Reis inzwischen als Luxusartikel. Versuche Rajoelinas, den Reispreis durch Exportverbote in den Griff zu bekommen, haben wenig Erfolg gehabt.

Auch das Gesundheitssystem liegt darnieder. »Wir sind sehr über den allgemeinen Verfall des Gesundheitssystems des Landes besorgt«, sagte Bruno Maes, Vertreter des UN-Kinderhilfswerks UNICEF. Laut Kinderhilfswerk sterben jährlich mehr als 70 000 madagassische Kinder, bevor sie das fünfte Lebensjahr erreichen. Todesursachen sind vermeidbare Erkrankungen wie Durchfall, Atemwegsentzündungen und Malaria.

Die Kosten für die Schulbildung mussten in den vergangenen zwei Jahren von der weitgehend verarmten Bevölkerung getragen werden. Denn 70 Prozent der Bildungsausgaben wurden unter Präsident Ravalomanana von internationalen Gebern finanziert. Und diese Gelder sind 2009 gestrichen worden.

Für die Zukunft Madagaskars nächster Generation sieht es schlecht aus: Nur 60 Prozent der Kinder haben laut Bildungsministerium einen Grundschulabschluss – ein Mangel unter vielen.

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