Vergreisende Bäume

Vor einigen Jahren noch hatte Thüringen 12 000 Hektar Streuobstwiesen. Es werden immer weniger

  • Antje Lauschner, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Blühende Kirsch- und Apfelbäume, summende Insekten, Frühlingsblumen: Die Vielfalt der Streuobstwiesen in Thüringen erfreut derzeit Einheimische wie Gäste. Aber die einzigartigen Biotope sind mancherorts bedroht. Hilfe gibt es durch Förderprogramme und Naturschützer.

Weimar/Apolda. Streuobstwiesen liefern nicht nur gesundes Obst und leckere Säfte. »Sie sind mit mehr als 5000 Tier- und Pflanzenarten auch einer der artenreichsten Lebensräume in Mitteleuropa«, sagte Björn Burmeister von der Grünen Liga Thüringen im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. »Über Jahrhunderte durch Obstproduktion zumeist an den Ortsrändern entstanden, droht diese einzigartige Kulturlandlandschaft in Teilen Thüringens zu verschwinden.« Überalterte Bäume, hoher Aufwand, kaum Gewinn, betagte Eigentümer – die Gründe für die Rückgänge seien vielfältig, erklärte der Verantwortliche für das Projekt »ObstNatur in aller Munde«.

Der Siedlungsdruck wächst

Rund 12 000 Hektar Streuobstwiesen müsste es nach einer Erhebung aus den 1990er Jahren thüringenweit geben. »Aber schon damals hat sich eine Vergreisung der Bäume abgezeichnet, verwandelten sich Wiesen und Äcker langsam in Buschland.« Birnbäume könnten bis zu hundert Jahre alt werden, Süßkirschen maximal 70 Jahre.

Ein weiteres Problem vor allem nach 1990: Zum Teil werde darauf spekuliert, dass Streuobstwiesen in Bauland umgewandelt werden könnten. »Wo Obstbäume dem Zahn der Zeit zum Opfer fallen, ändert sich der Schutzstatus zum Bauerwartungsland«, sagte der Experte. Solch einen Siedlungsdruck registrierten Behörden und Umweltschützer beispielsweise in Jena. »Die Investoren haben alle Trümpfe in der Hand.« Als Streuobstwiese gilt ein Areal, wenn dort mindestens zehn Obstbäume stehen, die am Kronenansatz 1,80 Meter Höhe aufweisen. Ein Problem seien zumeist die Eigentümer. »Im Endeffekt dreht sich alles um Geld und dass unterm Strich eine schwarze Null steht«, erläuterte Burmeister die Problematik. Deshalb würde das Obst oft nicht mehr geborgen und verarbeitet. »Seit Jahren geht die Menge an Streuobst-Äpfeln für Mostereien zurück – Grundlage für qualitätvolle Säfte, deren Nachfrage jedoch steigt.«

Dort setzt seit Sommer 2009 das Projekt »ObstNatur in aller Munde« an. Es werde vom Freistaat über die Förderinitiative Ländliche Entwicklung in Thüringen bis Oktober 2013 mit insgesamt 450 000 Euro unterstützt. »Ziel ist es, Eigentümer, Pächter, Experten und auch Baumschulen zusammenzubringen, Führungen und Pflegeeinsätze, Schnitt- und Veredlungsseminare durchzuführen. Und – nicht zu unterschätzen – Umweltbildung in Kindergärten und Schulen anzubieten.« Es werden Reiser für seltene Obstsorten wie den Friedberger Bohnapfel gezogen, um die Artenvielfalt zu erhalten. Erste Erfolge kann die Grüne Liga laut Burmeister nach knapp zwei Jahren vor allem um Weimar, Apolda, im Ilmkreis und im Kreis Saalfeld-Rudolstadt vorweisen, wo traditionell entlang der Ilm viel Obst angebaut werde. »Ein Großteil der Fördersumme ist für eine mobile Obstpresse draufgegangen, die im Herbst vor allem in Mittelthüringen durch die Dörfer zieht.«

Saft für Apoldas Kitas

Gute Erfahrungen seien dort auch mit Kommunen und Vereinen gemacht worden. Die Stadt Apolda, die noch viele schöne Streuobstwiesen besitzt, lässt das Obst seit zwei Jahren in der Mobilen Presse zu Säften verarbeiten – und gibt diese an die kommunalen Kindergärten. »Eine schöne Idee.«


Mehrfach genutzt

Die Streuobstwiese ist eine traditionelle Form des Obstbaus, in Unterscheidung zum Niederstamm-Obstbau in Plantagen. Auf Streuobstwiesen stehen hochstämmige Obstbäume meist unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Arten und Sorten. Die Wiesen dienen sowohl der Obsterzeugung als auch der »Unternutzung«. Dabei wird die Fläche meist als Mähwiese oder direkt als Viehweide genutzt. (ND)

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