Der Kampf um 35 Stunden

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 2 Min.

Bei der aktuellen Tarifrunde für die Druckindustrie und Zeitungsverlage steht viel auf dem Spiel. Hier geht es nicht nur um die Abwehr von Tarifdumping, um gleiche Bezahlung für Leiharbeiter und den Reallohn. Es geht vor allem um den Manteltarifvertrag (MTV) für die Druckindustrie, den der Unternehmerverband bvdm jetzt gekündigt hat.

Eine Errungenschaft dieses MTV ist die 35-Stundenwoche. Für die Wochenarbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich hatte die damalige IG Druck und Papier und spätere IG Medien, die vor zehn Jahren in ver.di aufging, seit den 80er Jahren intensiv gekämpft. Ältere Gewerkschafter erinnern sich gut an die wochenlange Streikbewegung im Frühjahr 1984, in der Druckern und Metallern der erste Einstieg in die 35-Stundenwoche gelang. So gab es Polizeieinsätze und Gewalt gegen Streikposten, als aufgehetzte selbstständige Fahrer in Streikpostenketten rasten und manchen schwere Verletzungen zufügten. Die FAZ-Chefs demonstrierten mit dem Einsatz eines gecharterten Hubschraubers zum Abtransport von Streikbruchprodukten aus dem Werksgelände ihre Macht. Den Streikenden schlug heftiger medialer und politischer Wind entgegen. Mehrere DGB-Gewerkschaften wie die IG Chemie-Papier-Keramik lehnten die Verkürzung der Wochenarbeitszeit ab und distanzierten sich vom Kampf der Drucker und Metaller.

Trotz alledem gewannen Drucker und Metaller 1984 den Kampf um die Köpfe. Die kleine IG Druck und Papier wurde nicht gebrochen. Das Verlangen nach mehr Freizeit für Familie, Kultur und Bildung war nicht mehr zu unterdrücken. Die »35« wurde allerdings in Stufen und erst elf Jahre später erreicht.

Auch wenn seither längst eine Tarifflucht eingesetzt hat und etliche Arbeitgeber auch »ohne Tarifbindung« im bvdm organisiert sind, haben die Beschäftigten in wichtigen Betrieben mit der 35-Stundenwoche viel zu verteidigen. Bei einer Rückkehr zur 40- Stundenwoche droht allein in der Druckindustrie ein Abbau von über 20 000 Arbeitsplätzen.

Der Kampf um kürzere Arbeitszeit ohne Lohnverlust ist ein roter Faden der Geschichte der Arbeiterbewegung. Es ist Zeit, dass sich die Gewerkschaften dieses Ziel wieder offensiv auf ihre Fahnen schreiben.

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