Auch der arme Bauer soll Rente beziehen

China will Gewinn gerechter verteilen

  • Werner Birnstiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Flexibel wie Chinesen oft vorgehen, wird der »Tag der Arbeit« an drei Tagen gefeiert. Nicht mehr so üppig wie in der Vergangenheit eine ganze Woche, aber doch so, dass der Feiertag landesweit für möglichst viele Menschen spürbar ist. Gutes Essen hat in China ohnehin seinen traditionell sehr hohen Stellenwert, Trinken nicht weniger – der 1. Mai gibt da als Anlass für beides viel her.

Das Besondere am 1. Mai 2011 ist zweifelsohne, dass er nur zwei Monate vor dem 90. Jahrestag der Gründung der KP Chinas am 1. Juli als Startpunkt zur Besinnung auf Erreichtes und noch mehr zum Blick nach vorn taugt. Vertreter der KP Chinas verweisen betont sachlich darauf, dass bei der Weiterführung des »Sozialismus chinesischer Prägung« nun mit dem Beginn des 12. Fünfjahrplans 2011-15 eine neue Entwicklungsetappe für die 1,35-Milliarden-Bevölkerung eingeleitet wird. Deren Kern sei, die sozial gerechtere Verteilung des erarbeiteten Wohlstandes konsequent durchzusetzen.

Die wirtschaftliche Entwicklung steht dabei weiterhin im Mittelpunkt, die Modernisierung der Wirtschaftsstruktur bleibe ein ständiger Prozess. Auch in Kenntnis der Programmdebatte der LINKEN in Deutschland wird erläutert, dass die KP Chinas wichtige Bereiche der Wirtschaft in staatlichem Besitz behalten wird. So zum Beispiel Infrastrukturbereiche wie Straßen-, Schienen- und Wasserverkehrsnetze, der Eisenbahn-Wagenbestand, die Energieversorgung und die Kommunikationsnetze, die großen Reedereien und Fluggesellschaften, der Bau und Betrieb großer Wasserprojekte, der Transport und die Verteilung von Wasser, die Großbanken und Versicherungen, weite Bereiche des Bildungswesens. Und nicht zuletzt die Lebensmittelressourcen bleiben unter strenger staatlicher Kontrolle.

In dieser Form neu für China ist, den sozialen Wohnungsbau massiv zu entwickeln und Neubauwohnungen zu akzeptablen Preisen auch an Geringverdienende in der Stadt und auf dem Lande zu vermieten. Damit soll der grassierenden Spekulation und Korruption durch Immobilienhaie begegnet werden, sie völlig auszumerzen wird wohl nicht gelingen.

Ebenfalls neu für China ist der Bau von Altersheimen. Sie sollen für ältere Bürger tagsüber die traditionelle »Versorgung im Hof« mit allen notwendigen sozialen Angeboten gewährleisten. Abends kann dann jeder wieder in seine Wohnung zurückkehren.

In die »grundlegende Krankenversicherung« sind in den Städten heute über 415 Millionen Bürger einbezogen, auf dem Lande wurden Pilotversuche mit der »Sozial- und Rentenversicherung neuen Typs« gestartet. Die KP Chinas setzt hier über die staatlichen Strukturen schrittweise die Zahlung einer Grundrente für ältere arme Bauern durch. Aller Ehren wert ist, dass heute in die »genossenschaftliche medizinische Betreuung neuen Typs« 500 Millionen Landbewohner (von etwa 730 Millionen) einbezogen sind.

Der politische Rahmen dieser Entwicklung wird in Peking als Verknüpfung von chinesischer sozialistischer Marktwirtschaft bei makroökonomischer Steuerung durch KP und Regierung definiert. Dass das funktioniert, habe die Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008–10 in China gezeigt, in der China global als eine Art Stabilitätsanker wirken konnte. Während bisher hauptsächlich hohes Wachstumstempo favorisiert wurde, geht es nun um die Verknüpfung von Wachstum und Effektivität; so beim sparsamen Umgang mit Ressourcen und beim Zwang zu raschen Verbesserungen im Umweltschutz. P

Problematisch bleibt, dass langfristig an der Atomkraft festgehalten wird. Hier wird sich künftig innenpolitischer Zündstoff anhäufen, dessen Potenzial in Peking derzeit noch unterschätzt wird. Entscheidend ist aber, dass die Regierungslosung des Führungsduos Hu Jintao (Staatspräsiden) – Wen Jiabao (Ministerpräsident) einer »wissenschaftlichen Entwicklung« des Landes deutlich an Kontur gewonnen hat.

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