Nichtraucher sind nicht geschützt

Erste deutschlandweite Studie belegt weiterhin erheblichen Tabakkonsum in Gaststätten

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Nichtraucherschutzgesetze halten nicht, was sie versprechen. In vielen Restaurants und Kneipen wird noch immer gequalmt. Eine erste Evaluationsstudie quittiert den Bundesländern gravierende Mängel bei der Umsetzung ihrer Rauchverbote.

Wer ein Essen ohne Zigarettenqualm genießen möchte, hat heute auch in Deutschland gute Chancen, ein rauchfreies Restaurant zu finden. In zwei Dritteln der Gaststätten wird nicht geraucht. Eine Cola oder ein Bier in einer qualmfreien Kneipe zu trinken, ist dagegen noch immer kaum möglich. In 80 Prozent der Kneipen und Bars wird nach wie vor Tabak konsumiert. In vielen Fällen werden die Nichtraucherschutzgesetze missachtet, wie eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) ergab.

»Verstöße gegen die Nichtraucherschutzgesetze sind eher die Regel als die Ausnahme«, erklärte Stefanie Seltmann vom DKFZ bei der Vorstellung der Erhebung am Dienstag in Berlin. Dabei haben Mitarbeiter des Krebsforschungszentrums im Februar und März dieses Jahres 2939 gastronomische Betriebe in zehn Bundesländern untersucht. In den Landeshauptstädten Düsseldorf, Hannover, Kiel, Mainz, Magdeburg, Schwerin, Stuttgart und Wiesbaden begaben sich die Forscher in alle Restaurants, Cafés, Kneipen und Diskotheken im jeweiligen Innenstadtbereich. In München und Berlin wurden in je zwei weiteren Stadtteilen rauchende Gäste gezählt.

Das Team unter Leitung von Martina Pötschke-Langer und Ute Mons von der Stabsstelle Krebsprävention und dem WHO-Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle im DKFZ stellte große regionale Unterschiede fest. »Düsseldorf ist eine Rauchermetropole«, so Mons. Nur 59 Prozent der Gaststätten seien dort rauchfrei. In der Stadt gebe es die meisten Raucherkneipen und die meisten Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht. Große innerstädtische Unterschiede fanden die Forscher in Berlin. Der Bezirk Mitte sei nahezu rauchfrei. Doch in Kreuzberg und in Prenzlauer Berg sei es schwierig, eine Nichtraucherkneipe zu finden. Auch München, wo seit dem erfolgreichen Volksbegehren im letzten Jahr ein generelles Rauchverbot herrscht, sei laut Mons »dennoch nicht vollständig rauchfrei«.

Die Hauptursachen für den Tabakkonsum trotz der Nichtraucherschutzgesetze sieht Mons in den vielen Ausnahmeregelungen. Weiterhin seien eklatante Verstöße gegen die Gesetze festzustellen, wenn etwa in Kneipen Speisen zubereitet oder Raucherräume nicht abgetrennt werden. Die Länder hätten zudem große Probleme, die Regeln durchzusetzen, die erst seit 2007 nach und nach überall eingeführt wurden. »Die Nichtraucherschutzgesetze sind lückenhaft und inkonsequent«, befand Pötschke-Langer.

Die Wissenschaftlerin warnte vor den Schadstoffbelastungen in Raucherkneipen und -räumen, die zu Krebs- und Herzkreislauferkrankungen führen. Sich in diesen »Giftküchen« aufzuhalten, sei unzumutbar. In Gaststätten, in denen geraucht wird, sei die Belastung durch Tabakrauch um das Fünf- bis Elffache erhöht. Daher plädiert das DKFZ für eine Neuregelung des Nichtraucherschutzes. Im europäischen Vergleich sei Deutschland eines der Schlusslichter. »Wir wünschen uns, dass Deutschland Spanien folgt«, sagte Pötschke-Langer. Dort gilt seit Januar ein vollständiges Rauchverbot in öffentlichen Bereichen und in der Gastronomie. Zuvor hatte Spanien vor allem die Gastronomen selbst entscheiden lassen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal