Merkel spielt die Anti-Terror-Karte

Bundeskanzlerin will an verschärfter Gesetzgebung festhalten / FDP mahnt zu Zurückhaltung

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Die Gefahr von Terroranschlägen bleibt auch nach dem Tod von Osama bin Laden angeblich hoch. Deshalb will die Kanzlerin die Anti-Terror-Gesetze verlängern. Der liberale Koalitionspartner äußerte Bedenken.

Berlin (Agenturen/ND). In der Debatte um die Anti-Terror-Gesetze hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel für eine Verlängerung der derzeitigen Regelungen ausgesprochen. Ein großer Teil der Vorschriften werde auch in Zukunft benötigt, »um terroristische Anschläge in Deutschland verhindern zu können«, sagte sie am Wochenende.

Die jüngsten Festnahmen mutmaßlicher islamistischer Extremisten in Deutschland hätten einmal mehr gezeigt, dass eine Gefahr tatsächlich bestehe, sagte Merkel der »Passauer Neuen Presse«. Es sei »selbstverständlich denkbar, dass wir die Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze erneut befristen.« Die Anti-Terror-Gesetze sind seit zehn Jahren in Kraft und laufen Anfang 2012 aus. Geheimdienste können auf Grundlage der Gesetze Auskünfte von Banken, Fluggesellschaften, Postdienstleistern und Telekommunikationsfirmen zur Terrorbekämpfung verlangen.

Ende April waren drei Terrorverdächtige festgenommen worden, die laut Bundesanwaltschaft von einem hochrangigen Al-Qaida-Mitglied beauftragt worden waren, in Deutschland Anschläge zu begehen. Die Beschuldigten sollen ein Attentat im Raum Düsseldorf vorbereitet haben.

Merkel machte sich außerdem für die Vorratsdatenspeicherung stark, da diese »im Zuge der Terror- und Verbrechensbekämpfung« unverzichtbar sei. Unterstützung erhielt sie vom Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke: »Alle Experten sind sich einig: Wir brauchen die Frist zur Mindestspeicherung«, sagte Ziercke der »Welt am Sonntag«.

Mit der Vorratsdatenspeicherung würden Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen verpflichtet, Daten von Telefon- und Internetverbindungen sechs Monate zu speichern. Ziercke sagte, die Ermittlungen gegen die Düsseldorfer Zelle seien wegen der fehlenden Speicherpflicht beinahe schief gegangen. Die Behörden brauchten die Speicherfrist, »um terroristische Netzwerkstrukturen aufklären zu können«. Der BKA-Chef sprach sich zudem für eine Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze aus.

Datenschützer und Bürgerrechtler lehnen die Vorratsdatenspeicherung ab. Sie befürchten den Missbrauch der Daten. Außerdem befördere die Speicherung eine Zunahme der Überwachung durch den Staat, so die Kritiker.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wandte sich gegen »den Reflex, bei jedem Anlass nach Gesetzesverschärfungen zu rufen, die mit der konkreten Bedrohungslage überhaupt nichts zu tun haben«. Stattdessen sollten die Innenpolitiker besser über die Frage streiten, ob es genügend gut ausgebildete Polizeibeamte gebe, um den vorhandenen gesetzlichen Rahmen auszufüllen, so die FDP-Frau.

Die Ministerin plädierte dafür, die Anti-Terror-Gesetze vor einer Verlängerung detailliert zu prüfen. Die Gesetze seien »unter dem Schock« der Anschläge vom 11. September entstanden, sagte sie. »Jetzt haben wir den Auftrag, genau zu überprüfen, welche Befugnisse weiterhin notwendig und angemessen sind.« Die Ministerin warnte davor, die technische Machbarkeit von Eingriffen zum Maßstab zu machen. »Nicht alles, was technisch möglich ist, muss für die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden und der Nachrichtendienste sinnvoll sein.«

Die FDP will nach Informationen des »Focus« den Zoll in den Anti-Terrorkampf einbinden. Ihm solle es künftig möglich sein, bei Einfuhrkontrollen gesammelte Daten nach terrorismusrelevanten Kriterien zu durchsuchen und Ergebnisse den zuständigen Behörden mitzuteilen. Das fordere ein Antrag, den mehrere Spitzenliberale beim FDP-Bundesparteitag in Rostock stellen wollen, darunter Leutheusser-Schnarrenberger.

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