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Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit – und wozu die Sozialdemokratie?

»Demokratische Linke 21« stellen aktuelle Politik der Beliebigkeit in Frage

  • Martin Lejeune
  • Lesedauer: 4 Min.
»Wozu Sozialdemokratie?« So fragte die Jahrestagung der »Demokratischen Linken 21« in der SPD am Samstag in Berlin.
Wozu Sozialdemokratie? Die Frage beantwortete Ralf Stegner, Landesvorsitzender der SPD Schleswig-Holstein, mit plumpen Parolen: »Wir sind die progressive Alternative zu den anderen. Wir denken von den Menschen her, müssen uns an den Menschen und nicht an Märkten orientieren.«

Der Juso-Bundesvorsitzende Sascha Vogt hingegen negierte die Fragestellung. Nicht wozu Sozialdemokratie, sondern für wen Sozialdemokratie, müsse es heißen: »Für wen wollen wir eigentlich Politik machen?«, fragte Vogt die Genossen und plädierte dafür, eine Koalition mit jenen gesellschaftlichen Kräften zu bilden, »die sich von unseren Grundwerten angesprochen fühlen«. Dem stünden laut Vogt jedoch grundsätzliche Probleme entgegen: Zum einen habe die SPD seit Langem bereits ihre Kernthemen – »Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit« – ausgeblendet, daher wirke der Kurs der Partei beliebig. Beispielsweise in der Steuerpolitik, bei der die SPD versuche, »es allen recht zu machen«.

Vogt fordert, »die Konflikte einfach einmal auszuhalten, die aus der Einführung einer Vermögenssteuer resultieren werden«. Zum anderen fehle der Partei Profilschärfe. Laut Vogt zeichnet dafür die Politik der Gerhard-Schröder-Regierung verantwortlich: »Diese erklärte stets, man mache eine Politik der Alternativlosigkeit, es gebe keine linke oder rechte Wirtschaftspolitik, sondern nur eine gute oder schlechte. SPD-Politik heißt aber, klare, sozial gerechte Alternativen zu benennen.«

Die Lösung dieser Probleme sei für Vogt nicht allein, die »SPD-Grundwerte Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit vor uns her zu tragen«. Vielmehr müsse man konkrete Antworten auf die Frage, was Gerechtigkeit konkret heiße, liefern, »für junge Menschen etwa Freiheit mit sozialer Sicherheit verknüpfen«.

Konrad Klingenburg, Leiter der Abteilung »Grundsatz und Strategien« beim DGB, stimmte vielem zu, was Vogt sagte und fügte hinzu: »Auf dem Papier gibt es viele tolle Deklarationen, aber das hat mit der Realität wenig zu tun. Es gibt eine Diskrepanz zwischen Erklärungen von SPD-Politikern und den Ergebnissen ihrer Politik. Das durchschauen inzwischen auch die Wähler.« Das »einfache SPD-Mitglied« (Selbstbeschreibung Klingenburg) fordert von seiner Partei, die Mindestlohnforderung in der Bevölkerung zu verankern, für Lohngerechtigkeit für Leiharbeiter einzutreten und eine »Konzentration auf die Markenkerne Arbeit und Gerechtigkeit, eine Rückbesinnung auf das Hamburger Programm«.

Klingenburg ruft eindringlich zur Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und der SPD auf, um gemeinsame Ziele wie die Regulierung der Finanzmärkte zu erreichen. Das Voneinander-Lernen und Übereinander-Wissen müsse intensiviert werden, um Eingriffe in die Tariffreiheit oder soziale Sicherungssysteme zu verhindern. Laut Klingenburg müsse die SPD auch auf Europa-Ebene auf »undemokratische und unsoziale Politik wie den Merkel-Sarkozy-Pakt für den Euro hinweisen und hinterfragen, wie solche Entscheidungsprozesse entstehen«.

Auch Sylvia-Yvonne Kaufmann, die zehn Jahre lang Mitglied des Europäischen Parlamentes war und 2009 von der LINKEN in die SPD übertrat, verlangt von ihrer neuen Partei eine Europäisierung, »um die Alltagswahrnehmung europäischer Politik voranzutreiben«. Immerhin sei die SPD jene Partei, »die 1925 in ihrem Grundsatzprogramm als erste Partei für eine Idee der Vereinigten Staaten von Europa eingetreten ist«. Im »Vorwärts« müsse daher endlich berichtet werden, was die Mitglieder des Europäischen Parlaments tun. Die SPD müsse Vorreiterin sein für ein Wahlrecht für EU-Staatsangehörige auf Landesebene und lobt den abwesenden Justizminister Thüringens, Holger Poppenhäger (SPD), der dies in seinem Land fordert.

Björn Böhning, Vorsitzender der »Demokratischen Linken 21«, verlangt von der SPD, »deutlicher von sicherer Arbeit und sozialer Gerechtigkeit zu reden« und ein solches Thema fünf oder zehn Jahre durchzuhalten, »so wie die Grünen dauerhaft das Politikfeld Atomkraft belegen«.


Kanzler-Kontrastprogramm

Peer Steinbrück – 2005 bis 2009 Bundesfinanzminister in der CDU-geführten Regierung von Angela Merkel – fühlt sich berufen als Kanzlerkandidat der SPD. »Der Zeitpunkt wird kommen, wo ich mich in Absprache mit zwei oder drei Führungspersönlichkeiten der SPD darüber zusammensetze«, sagte Steinbrück laut einer Vorabmeldung der Sendung »hr1-Talk« im Hessischen Rundfunk.

»Wenn Sie sich entscheiden, für so etwas zu kandidieren, dann mit voller Kraft und mehr als 100 Prozent. Wenn, dann wollen Sie gewinnen und zwar mit jeder Faser Ihres Körpers«, sagte Steinbrück. »Selbstausrufungen sind in einer modernen demokratischen Partei wie der SPD aus der Mode gekommen«, erklärte dazu SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles.

Der schleswig-holsteinische SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner nannte Parteichef Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft als geeigneter.

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