Das Auto im Sack

Ludwigshafen versteigert herrenlose Kfz

  • Johanna Uchtmann, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Was passiert mit Autos, die scheinbar herrenlos in der Öffentlichkeit vor sich hinrosten? Die Stadt Ludwigshafen versteigert sie – sprichwörtlich für einen Apfel und ein Ei. Die neuen Besitzer wissen immer erst hinterher genau, was sie da ersteigert haben.

Ludwigshafen. Sieben blaue Duftbäume hängen am Rückspiegel des verstaubten, schwarzen Opel Astra. Dazwischen baumelt ein türkisches Glücksarmband. Strahlend lächelt ein kleines Mädchen von einem Passfoto, das auf dem Spiegelglas klebt. Sonst wissen die Leute, die mit scharfem Blick um den Wagen schleichen, nicht viel vom Besitzer des Autos. Sicher ist nur, dass er irgendetwas falsch gemacht hat. Sonst stünde sein Auto jetzt nicht zusammen mit elf weiteren und einem Grillhähnchen-Verkaufswagen auf einem Schotterplatz der Stadt Ludwigshafen zur Versteigerung.

Seit 2007 versteigert der Bereich Straßenverkehr Autos, die scheinbar herrenlos im öffentlichen Raum herumstanden – und deren Halter keine Steuern oder Versicherung mehr bezahlen können. Der schwarze Opel Astra, unter dessen Frontscheibe eine Klarsichtfolie mit einigen Fakten zum Wagen liegt, ist eines davon.

Ohne Schlüssel und Papiere

Wirklich schlau werden die Interessenten aber aus dem kurzen Faktenblatt nicht. Keines der Vehikel hat Schlüssel oder Papiere. Wer den Zuschlag bekommt, muss sich selbst um einen Schlüssel, um TÜV, Versicherung und alles, was dazugehört, kümmern. »Da kommen dann noch einmal 300 bis 400 Euro auf einen zu«, schätzt Peter Gottfried vom städtischen Bereich Straßenverkehr, der alle Autoversteigerungen organisiert.

Zwischen 100 und 300 Euro liegen die Mindestgebote. Für manche Wagen – etwa einen Mercedes Baujahr 1995 oder einen BMW von 1994 – ist das quasi nichts. Das wissen auch die Bieter.

Der hart umkämpfte Mercedes geht schließlich für 1250 Euro weg. »Zum Basteln«, sagt der neue Besitzer. Der alte Besitzer ist sein Auto jetzt los. Der Stadt hat es nie gehört. Die muss das eingenommene Geld abzüglich aller Auslagen – 200 bis 300 Euro kommen da schon zusammen – an den Vorbesitzer überweisen. Warum hat er das gute Auto denn nicht abgeholt? »Ich versteh's nicht. Fahren tut's!«, sagt Gottfried, schüttelt den Kopf und zieht mit gesenktem Blick an seiner Zigarette. »Also ich tät mein Auto wiederholen.«

In der Regel haben die Vorbesitzer der versteigerten Autos Geldprobleme. Gelegentlich sind auch Wagen dabei, deren Halter sich ins Ausland abgesetzt haben sollen. Die Besitzer werden mehrmals angeschrieben. Ein Drittel der eingezogenen und auf dem Schotterplatz abgestellten Autos wird von den Haltern auch wieder abgeholt – was übrig bleibt, kommt unter den Hammer.

Lust am Zocken

Unter den Bietern sind viele Autoverwerter. »Und die fummeln aus dreien wieder ein neues zusammen«, sagt Thea aus Ludwigshafen, die ihren Nachnamen nicht nennen will. Thea fummelt nichts neu zusammen. Sie steigert mit aus der Lust am Steigern, am Kaufen und Verkaufen. Das macht sie auch häufig mit Immobilien. »Zocken«, sagt die 56-Jährige und lächelt verschwörerisch.

Von Autos hat die gelernte Arzthelferin eigentlich keine Ahnung, schaut aber trotzdem unter die Motorhaube. »Wie bei allen Versteigerungen kauft man die Katze im Sack.« Sie zuckt mit den Schultern, steckt ihr Gebot für den Duftbaum-Opel in einen Umschlag. »Aber hier muss ich ja erst mal 250 Euro für einen neuen Schlüssel ausgeben, nur um zu sehen, ob da überhaupt eine Katze im Sack drin ist.«

Im Schatten der Schotterplatz-Bäume trifft Thea auf Ronny Fischwasser. Er ist ihr Konkurrent beim Bieten um den Duftbaum-Opel. »Ich brauche aber nur das Blech«, sagt Ronny, Vater eines Sohnes, der »gerade sein Auto in die Leitplanken gesetzt hat«. Komplett zerlegen? Thea findet das traurig. »Das arme Auto.« Letztlich bekommen weder Thea noch Ronny den Opel. Der Wagen geht an einen Autoverwerter – für viel mehr Geld als von beiden geboten. Die Zockerin findet das absolut okay. Um den Zuschlag ging es ihr ja schließlich nicht wirklich.

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