Mir sin do – Frau übernimmt die Saar-CDU

Annegret Kramp-Karrenbauer löst Peter Müller an der Parteispitze ab, im August soll sie Regierungschefin werden

  • Oliver Hilt, Saarbrücken
  • Lesedauer: 5 Min.
Am Wochenende wird der Abschied des saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller von der Politik eingeleitet. Dann wird Annegret Kramp-Karrenbauer auf einem Parteitag im Beisein von Angela Merkel den Vorsitz der Landes-CDU übernehmen. Nach der Sommerpause, am 10. August, soll sie im Landtag offiziell zur Regierungschefin gewählt werden.

Seit der Nominierung für beide Führungspositionen ist es eher still geworden um die derzeit laut Umfrage beliebteste saarländische Politikerin. Zu den großen aktuellen Themen war von ihr wenig bis nichts zu hören. Als nach Fukushima die saarländischen Städte und Gemeinden Unterschriftenlisten auslegten und Ratsbeschlüsse für die Stilllegung des französischen Atommeilers Cattenom an der saarländisch-luxemburgisch-französischen Grenze fielen, überließ Kramp-Karrenbauer dem Noch-Ministerpräsidenten Peter Müller das Feld.

Nach außen hält sie sich an die Spielregeln und den Zeitplan. Dafür dürfte sie wohl hinter den Kulissen vor allem an der Parteibasis ihre doppelte Machtübernahme vorbereiten. Solange können die Saarländer täglich in »Bild« den offiziellen Terminkalender ihrer künftigen Regierungschefin nachlesen. Da war unter der Rubrik: »und das macht AKK heute« schon mal nachzulesen, wann es einen »Jour Fixe« mit ihren Staatssekretären oder eine »Bürobesprechung« gab. Wichtiger dürften derzeit aber ihre Termine der »CDU-Zuhörtour« an der Parteibasis quer durchs Land sein. Dazu dringt allerdings nichts an die Öffentlichkeit.

Auffallend ruhig für eine Partei im Umbruch

Sie weiß, welche Mammutaufgabe ihr das politische Alphatier Peter Müller nach 15 Jahren an der Parteispitze hinterlässt. Den personellen und inhaltlichen Verschleiß hat die Partei bei der Landtagswahl 2009 zu spüren bekommen. Nach zehn Jahren Alleinregierung standen 13 Prozentpunkte Verlust zu Buche, die Folge war die erste schwarz-gelb-grüne Landesregierung.

Als Konsequenz rief noch Müller selbst einen programmatischen Erneuerungsprozess aus, stieß eine innerparteiliche Debatte über ein »Leitbild 2020« an und legte das in die Hände des neu berufenen Generalsekretärs der Saar-CDU, Roland Theis. Der erst 31-Jährige hat die typische Eigenschaft eines Generalsekretärs als Wadenbeißer verinnerlicht, gilt aber darüber hinaus ohne Zweifel als politisches Talent mit scharfem analytischen Verstand.

Damit gehört er zu der jungen Garde, auf die Kramp-Karrenbauer im Erneuerungsprozess der Partei setzen muss. Dazu zählt auch weiter Innenminister Stephan Toscani (44), der selbst gerne die Müller-Nachfolge angetreten hätte. Nachdem er in diesem Machtkampf zurückstehen musste, hält er sich bedeckt, was seine Ambitionen angeht. Wie ohnehin die gesamte CDU an der Saar nach außen auffallend ruhig ist für eine Partei im Umbruch.

Darauf dürfte die designierte Chefin größte Sorgfalt verwendet haben. In zehn Jahren Kabinettserfahrung hat sie ihre wechselnden Häuser (Innen, Bildung, derzeit Arbeit und Soziales) nach außen immer geräuschlos gemanagt. »In der Sache hart – dort wo es notwendig ist«, aber ohne das immer »in großer Lautstärke« zu begleiten, beschreibt sie selbst ihren Führungsstil. Dass sie konfliktscheu wäre, sagt ihr jedenfalls niemand nach.

Privates dringt von ihr wenig an die Öffentlichkeit. Verheiratet mit einem Bergbauingenieur und als Mutter von drei Kindern hat sie bereits früh Familie und Beruf unter einen Hut bringen müssen. Ihre Beliebtheitswerte in Umfragen führt sie darauf zurück, »authentisch« zu sein. In ihrer Heimatstadt Püttlingen, wo ihre Politikkarriere 1984 im Stadtrat begann, gilt sie immer noch als »'s Annegret«. Ihre Sportbegeisterung, insbesondere für Fußball, konnte sie als Innen- und Sportministerin ausleben. Und sie beobachtet heute noch die Fußballkarriere ihres Sohnes in der Oberliga.

Volksnähe wird man ihr nicht absprechen können. Noch am Abend ihrer Doppelnominierung als Müller-Nachfolgerin wurde sie zur Ehrensenatorin der Traditionskarnevalsgesellschaft »Mir sin do« ernannt. Anbiederung ist ihr dagegen ein Fremdwort, ein Stück Distanz versucht sie immer zu bewahren, gilt dabei als gradlinig, ohne Allüren. Sich in den Vordergrund zu spielen, ist nicht ihr Ding. Schon dadurch unterscheidet sie sich von ihrem Vorgänger, der für seine raumfüllende Präsenz bekannt ist.

Sicherlich mit ein Grund, warum sich die beiden Koalitionspartner FDP und Grüne vergleichsweise wenig Sorgen machen über den Bestand des Bündnisses über den bevorstehenden Wechsel hinaus. Sie können sich darauf verlassen, dass die neue Regierungschefin den umfangreichen, detaillierten Koalitionsvertrag auf Punkt und Komma einhalten will. Und von der Kabinettsumbildung sind sie mit ihren jeweils zwei Ministerposten nicht tangiert. Aber sie sind auch nicht eingebunden in das große Stühlerücken, das der CDU bevorsteht.

Mindestens das jetzige Arbeits- und Sozialministerium braucht eine neue Spitze, ebenso das Justizressort, das Müller noch in Personalunion führt, was bei der Regierungsbildung vor eineinhalb Jahren ohnehin schon als Indiz für seine Karlsruher Ambitionen gewertet wurde.

Für Kramp-Karrenbauer heißt es derzeit vor allem, ein fein austariertes Personaltableau zu entwickeln. Für die Regierungsposten drängt sich dabei zurzeit niemand öffentlich in den Vordergrund. Es gilt: Wer zuerst ruft, ist raus. Allerdings macht angesichts des öffentlichen Schweigens der Partei und ihrer designierten Chefin der Joke im Saarland die Runde, wonach viele derzeit nicht nur wegen der sommerlichen Witterung bei offenem Fenster schlafen, sondern auch, um einen möglichen Ruf nicht zu überhören.

Die eigenen Spuren hinterlassen

Für das kleine Land an der französische Grenze ist dieser Doppelwechsel eine Zäsur. Erstmals wird eine Frau die Regierungsgeschäfte führen und damit in die Fußstapfen von zwei politischen Schwergewichten treten, die das Land ein Vierteljahrhundert eher patriarchisch geführt haben. Oskar Lafontaine, damals noch SPD, erwarb sich in seiner Amtszeit seit 1985 nicht zufällig den Beinamen »Napoleon von der Saar«. Nicht unähnlich war der Stil seines Nachfolgers, über den Lafontaine gerne als »der Müller-Pitt« spottete.

Auf die Nachfolgerin warten Herkulesaufgaben: Das hoch verschuldete Haushaltsnotlageland steht unter dem Diktat der Schuldenbremse, die Dauerdiskussion um den Länderfinanzausgleich hängt wie ein Damoklesschwert über dem Land. Die großen Vorhaben der Jamaikaner wie beispielsweise die Schulreform sind bereits auf dem Weg, notwendige Reformen etwa in der Krankenhauslandschaft versprechen konfliktreich zu werden. Ein zündendes »Projekt« für die zweite Hälfte der Legislatur ist derzeit nicht in Sicht.

Daran aber dürfte sich entscheiden, ob Kramp-Karrenbauer mit ihren derzeitigen Beliebheitswerten 2014 in den Wahlkampf ziehen kann. Die Latte hat sie für sich selbst jedenfalls schon bei ihrer Doppelnominierung im Januar ausreichend hoch gelegt: »Ich hinterlasse meine eigenen Spuren«, sagte sie und machte damit deutlich, dass sie ausreichend Selbstbewusstsein mitbringt.

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