Manning wartet auf Anhörung

Wikileaks-Zulieferer durchlebte ein Jahr erniedrigender Haftbedingungen

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.
Der mutmaßliche Wikileaks-Zulieferer Bradley Manning saß fast ein Jahr lang in folterähnlicher Isolationshaft. Inzwischen wartet er unter besseren Haftbedingungen auf seinen Prozess.

Ob es dem Obergefreiten in seinem neuen Gefängnis, in der Militärstrafanstalt von Fort Leavenworth (Kansas), psychisch besser geht, ist einen Monat nach seiner Verlegung von keiner Seite zu erfahren. Denn Bradley Mannings engster Vertrauter David House, der ihn zuvor im Hochsicherheitstrakt von Quantico (Virginia) besuchen durfte, ist ohne Erklärung von der Besucherliste gestrichen worden. House hatte in den Monaten der harten Haft gegenüber den Medien und Unterstützern als eine Art Sprachrohr seines Freundes fungiert.

Informationen über Bradley Manning (Foto: dpa) erhält man deshalb allenfalls von seinem Anwalt David Coombs, der natürlich nur verlauten lässt, was die Gegenseite, das Pentagon und die US-Regierung, politisch und juristisch nicht gegen seinen Mandanten verwenden können. Auf jeden Fall sind die Haftbedingungen nun sehr viel besser, wie Coombs bestätigt. Manning wird nicht mehr in einem Hochsicherheitstrakt isoliert, sondern ist in einem Trakt für Untersuchungshäftlinge untergebracht. Er kann Mitgefangene treffen, darf sich in der Cafeteria und im Gemeinschaftsraum frei bewegen, Sport treiben und die Anstaltsbibilothek besuchen. Seine Zelle hat sogar Fenster nach draußen, wie ausgewählte Journalisten nach Besichtigung der »Joint Regional Correction Facility« bestätigten.

Fast ein Jahr lang war Bradley Manning in Quantico Bedingungen ausgesetzt, die in den USA wie auch international zunehmend als verfassungswidrig und erniedrigend beschrieben wurden: 23 Stunden täglich in einer winzigen Zelle ohne natürliches Licht, keine persönlichen Gegenstände, Schlafentzug, Einnahme von Antidepressiva, nachts keine Kleider, ständige Kontrolle durch die Wärter. Als Grund nannte das Militär die angebliche Suizidgefahr. House, der Manning im März zum letzten Mal besuchte, nannte seinen Freund »verängstigt« und »krank«. Dabei hatte ein Anstaltspsychiater seit dem Sommer 2010 mehrfach gefordert, Manning auf eine geringere Sicherheitsstufe zu setzen. Er sei gar nicht suizidgefährdet.

Doch erst als der UNO-Beauftragte für Folter und Amnesty International die Obama-Regierung kritisierten, kam Bewegung in die Causa Manning. Politiker und der Filmemacher Michael Moore schalteten sich ein, und bei Demonstrationen übten sich andere Whistleblower zugunsten Bradley Mannings in zivilem Ungehorsam – alles in allem eine Peinlichkeit für die Regierung, die sich gern als Verteidigerin von Menschenrechten weltweit aufspielt.

Dass die Verlegung des wichtigsten politischen Gefangenen der USA auf eine Entscheidung von hoher Stelle zurückgeht, zeigte sich nicht nur daran, dass Mannings Verteidiger davon aus der Presse erfuhr. Auf der entsprechenden Pressekonferenz des Militärs hatten die zuständigen PR-Beamten abgestritten, die Verlegung habe etwas mit Protesten zu tun. Die Haftbedingungen in Quantico seien rechtmäßig und angemessen gewesen. Die Verlegung nach Kansas erleichtere lediglich das Prozedere.

Ein Termin für eine erste Anhörung vor Gericht steht noch nicht fest. Unterstützergruppen nehmen aber an, dass es schon in wenigen Wochen dazu kommen könnte.

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