Arche NohA im Frankenwald

In der Gemeinde Nordhalben war der Verfall bereits in vollem Gange, da rissen verbliebene Bürger das Ruder herum

  • Manfred Präcklein, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Entwicklung war dramatisch. In den vergangenen 50 Jahren hat der Markt Nordhalben ein Drittel seiner Einwohner verloren. Die Gemeinde im Frankenwald war finanziell am Ende. Doch gemeinsam stemmen sich die Bürger nun gegen den weiteren Niedergang ihrer Heimat am ehemaligen »Eisernen Vorhang«. Gemeinsam machten sich die Nordhalbener an die Sanierung leer stehender Häuser für Ferienwohnungen, richteten sich ihren eigenen Dorfladen ein. Auch die Windenergie soll künftig stärker genutzt werden.
Dorfschwatz an der Hauptstraße von Nordhalben Fotos: dpa/David Ebener
Dorfschwatz an der Hauptstraße von Nordhalben Fotos: dpa/David Ebener

Nordhalben. »Es war ein Teufelskreis«, sagt Josef Daum. Der Bürgermeister der Marktgemeinde Nordhalben im Frankenwald kämpft seit Jahren gegen den Niedergang seiner Gemeinde. Abnehmende Geburtenraten und Wegzüge hatten eine Überalterung der Bevölkerung und sinkende Steuereinnahmen zur Folge. »Die vorhandenen Infrastruktureinrichtungen sind da, müssen aber von immer weniger Leuten unterhalten werden«, beschreibt der CSU-Politiker die Problematik.

Lieferdienst für Ältere

Die Folgen waren in der Gemeinde in Bayern an der Landesgrenze zu Thüringen schon lange deutlich sichtbar: Immer mehr Häuser im Dorf standen leer, waren dem Verfall preisgegeben. Gleichgültigkeit und Mutlosigkeit breiteten sich aus. Doch mittlerweile zeichnet sich eine Trendwende ab – dank des Engagements der verbliebenen Bürger.

Den Grundstein für den Wandel legte ein ehemaliger Unternehmer: Otmar Adler. Der heute 72-Jährige stellte seinem Bürgermeister vor sechs Jahren zwei Szenarien über die weitere Entwicklung von Nordhalben vor. Alternative eins: Nichts tun, heißt: der Verfall geht weiter. Alternative zwei: Die noch vorhandenen Kräfte bündeln und den totalen Niedergang verhindern. Bei einer Bürgerversammlung stellten Daum und Adler die beiden Zukunftsversionen vor.

Mehr als 100 Bürger erklärten sich spontan dazu bereit, gegen den negativen Trend anzukämpfen – die Selbsthilfegruppe »Nordhalben Aktiv« war geboren. Rein zufällig erinnert die Abkürzung »NohA« an den Erbauer der biblischen Arche Noah. »Wir sitzen alle in einem Boot, entweder wir gewinnen gemeinsam oder wir gehen gemeinsam unter«, betont Adler. Gemeinsam machten sich die Nordhalbener an die Sanierung leerstehender Häuser. Es entstanden preiswerte Wohnungen für junge Familien und Unterkünfte für Feriengäste auf den Höhen des Frankenwaldes. NohA half bei der Vermittlung an Miet- und Kaufinteressenten. »Wir haben den Schlossberg abgeholzt und seine Naturschönheiten wieder freigelegt«, berichtet Adler mit Blick auf die wichtige Einnahmequelle Tourismus.

Ihre Bewährungsprobe bestand die Initiative im vergangenen Jahr. Der einzige Supermarkt im Ort schloss seine Pforten. In Eigenregie renovierten die Bürger in rund 2500 Stunden ehrenamtlicher Arbeit das Gebäude und richteten dort einen Dorfladen ein. Mehr als 450 der noch knapp 1900 Bewohner der Gemeinde zeichneten Anteile in Höhe von 300 Euro. Sie legten damit den finanziellen Grundstein für die Eröffnung des Nordwaldmarktes rechtzeitig vor Weihnachten.

Ein freiwilliger Lieferdienst bringt älteren, kranken oder behinderten Mitbürgern die telefonisch bestellten Waren sogar zweimal wöchentlich ins Haus. Die täglich etwa 200 Kunden lassen pro Kopf knapp 13 Euro in ihrem Markt. Das ist doppelt so viel wie in vergleichbaren Dorfläden. Die Bürgerinitiative spricht von einer sehr erfreulichen Entwicklung. Sie will die Immobilie möglichst bald kaufen, um die Miete zu sparen.

Mit den Nachbargemeinden Steinwiesen und Wallenfels hat der Markt Nordhalben ein Interkommunales Städtebauliches Entwicklungskonzept für die Kommunen im östlichen Landkreis Kronach erarbeitet. Ein Schwerpunkt neben der Aufwertung der Ortskerne und der Stärkung von Freizeit- und Tourismusangeboten ist die Nutzung regenerativer Energien in der waldreichen Region. Die Schule, die Kirche, das Rathaus und das Gebäude der Forstverwaltung sowie rund drei Dutzend Privathaushalte werden künftig über ein Nahwärmenetz mit Energie aus einem Hackschnitzelkraftwerk versorgt.

Acht Prozent Rendite?

Auch die Windenergie auf den Höhen des Frankenwaldes will Bürgermeister Daum künftig stärker nutzen. Und er will die Bürger bei diesem lukrativen Geschäft mit ins Boot nehmen. »Wo sonst bekommen Sie eine sichere Rendite von acht bis zehn Prozent«, wirbt der CSU-Politiker um Unterstützung. »Wir können nicht auf Hilfe von oben warten«, zieht NohA-Initiator Adler Bilanz.

In Nordhalben war die demografische Entwicklung noch ungünstiger als in anderen Orten im Nordosten Bayerns. Heute sieht Adler seine Heimatgemeinde in einer Vorreiterrolle im Kampf gegen den Bevölkerungsschwund und den totalen Niedergang.

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