Malerei und Missverständnis

Die umstrittene Ausstellung »Based in Berlin« zeigt spannende zeitgenössische Kunst aus Berlin

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.

Wenn Kunst und Politik zusammenkommen, entsteht oft Staatskunst. Bei der Ausstellung »Based in Berlin«, die vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) als Initialzündung für die von ihm so sehnlich gewünschte Kunsthalle ins Leben gerufen wurde, entstehen vor allem Missverständnisse. Das ist nur auf den ersten Blick verstörend, auf den zweiten aber prima. Denn während Staatskunst meist alle in den Dämmerschlaf versetzt, entzündet sich an Missverständnissen das Denken.

Das Ausstellungsprojekt sorgte schon im Vorfeld für Kontroversen, weil es von der Kulturverwaltung als »Leistungsschau« etikettiert wurde. Diese von vielen Künstlern abgelehnte Wettbewerbsmetapher wurde von einem einberufenen Kuratorenquintett in das weniger verfängliche Konzept der »Emerging Artists«, also »aufstrebenden Künstler«, umgewandelt. Es ersetzt Leistung durch Jugend, eine ansteigende Aufmerksamkeitskurve sowie eine geografisch bedingte Wahrnehmungsdiskrepanz. »Die in Frage kommenden Künstler sollen erst in den letzten fünf Jahren auf sich aufmerksam gemacht haben, in Berlin leben und arbeiten, aber vor allem außerhalb Berlins bekannt geworden sein«, erläutert Magdalena Magiera, eine der jungen Kuratorinnen, den Ansatz. Der ist tatsächlich weniger vulgär als die Wowereitsche »Leistungsschau«; trotz intensivem Coaching rutschte der Ausdruck dem Regierenden bei der Voreröffnung aber doch noch über die Lippen und sorgte für versteinerte Gesichter.

Jedoch selbst »Emerging Artists« können zu Stolperfallen werden. Dann nämlich, wenn das »emergen«, also das Hochkommen, als etwas verstanden wird, das sich ohnehin ereignet und bei dem allenfalls das anschließende Abernten vonnöten ist. Die Werbeplakate zur Ausstellung zeigen viel Unkraut und wild wucherndes Gestrüpp. Darunter steht »Based in Berlin«. Das ist kein feines Bild für hier tätige kreative Menschen und offenbart ein nicht unbedingt von Zuwendung getragenes Verständnis der Ausstellungsmacher und der Geldgeber (950 000 Euro von der Klassenlotterie, 450 000 Euro vom Senat) für ihre Schützlinge.

Im Ausstellungsraum setzen sich die Missverständnisse fort. Kulminationspunkt von »Based in Berlin« ist das einstige Atelierhaus der Kunsthochschule Weißensee am Monbijou-Park, das der Bezirk Mitte abreißen will, das aber nach Vertreibung der Hochschule nun doch wieder temporär genutzt werden darf. Dort nahm Klaus Wowereit für die Fotografen vor einem schnieken schwarzen Mini Cooper Platz. Leider hatte ihn niemand darauf hingewiesen, dass der israelische Künstler Ariel Schlesinger das Fahrzeug als Teil seiner Installation »A Car Full of Gas« begriff. In den Autoinnenraum strömt täglich ab 18 Uhr Gas. Eine Flamme entzündet sich an einem Ventil in einem der Fenster. Schlesinger erinnert mit dieser Arbeit an unheimliche Transformationen: Autos können Autobomben werden oder auch Selbstmordapparaturen. Zum Posieren gibt es bessere Plätze.

Immerhin, die Ausstellung ist da. Sie schafft einen Überblick über das, was in Berliner Ateliers entsteht. Und da ist tatsächlich manch Bemerkenswertes dabei. Rocco Berger, Bildhauerstudent an der Hochschule Weißensee, lädt das alte Handwerk der Ölmalerei politisch auf. Altöl wird aus einem alten 20 Liter fassenden Armeekanister über einen mit 37 Ventilen versehenen waagerecht angebrachten Schlauch auf eine durch einen Ventilator bewegte Plastikfolie geträufelt, so dass sich lange schwarze Öllinien abzeichnen. Durch die Bewegung der Folie ergeben sich Wellenmuster, die durch Falzkanten der Folie wiederum horizontal gebrochen werden. Bergers »Oil Painting« ist nicht nur ein neckischer Verweis auf den in der technischen Apparatur verborgenen Malergenius. Die Installation führt auch vor Augen, dass heutzutage die eigentliche »Ölmalerei« als riesenhaft dimensioniertes »Land Art«-Projekt im Umkreis explodierender Bohrplattformen, sinkender Tanker und leckender Öltrassen stattfindet.

Das Urberliner Werk in »Based in Berlin« steuert schließlich Matthias Fritsch bei. Der Medienkünstler hat in »We, Technoviking« all jene Internetvideos, die sich auf die Tanzeinlage eines martialischen Teilnehmers der Berliner Fuckparade 2000 – einer Protestveranstaltung gegen die kommerzialisierte Loveparade – beziehen, zu einer Videoinstallation verknüpft. Man sieht, wie einzelne, in Berlin kreierte Bewegungselemente ihren Weg in die weite YouTube-Welt antreten und dabei in neue kulturelle, politische und sexualpolitische Kontexte eingebettet werden.

Bis 24. Juli, freier Eintritt, Positionen von ca. 80 Künstlern, beteiligte Häuser: Atelierhaus im Monbijou-Park, Kunst-Werke, NBK, Hamburger Bahnhof, Berlinische Galerie, weitere Infos unter www.basedinberlin.de

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