Die Sorben bekommen ihren Seligen

Erste Zeremonie in Sachsen seit fast 500 Jahren ehrt den Katholiken Alojs Andritzki aus Radibor

  • Hendrik Lasch, Radibor
  • Lesedauer: 3 Min.
Er starb als Sorbe und Katholik im KZ Dachau, jetzt wird er von der Kirche offiziell geehrt: Der in Radibor geborene Kaplan Alojs Andritzki wird am Pfingstmontag selig gesprochen.

Am Pfingstmontag 1988 lernte Stephan Delan, der heutige Radiborer Pfarrer, Alojs Andritzki kennen: Bei einem katholischen Studententreffen habe er sich intensiv mit den Briefen des Geistlichen beschäftigt, der 1941 von der Gestapo verhaftet wurde und zwei Jahre später im KZ Dachau umkam. An diesem Pfingstmontag wird Delan, der inzwischen eine Biografie über Andritzki geschrieben und jetzt auch dessen Briefe herausgegeben hat, mit einem großen Teil seiner Gemeinde nach Dresden fahren. 600 der 1800 Radiborer Katholiken wollen an einem Festgottesdienst teilnehmen, bei dem Andritzki offiziell selig gesprochen wird.

Der Andrang hat Gründe. Der letzte Katholik, der in Sachsen selig gesprochen wurde, war Bischof Benno – zu Zeiten, da Martin Luther noch lebte, der dagegen anwetterte. Einen sorbischen Seligen gibt es bislang überhaupt nicht. Er sei, formuliert Delan, »der erste Einheimische«, der so geehrt wird.

Zum guten Ende kam das langwierige, zwölf Jahre währende kirchenrechtliche Verfahren mit einer Entscheidung von Papst Benedikt XVI. im Dezember 2010. Befördert worden sei das positive Votum, weil Andritzki unter den katholischen Sorben, aber auch darüber hinaus seit seinem Tod verehrt wurde, glaubt Delan. Der sportliche Andritzki, der in Dresden als Jugendseelsorger tätig war, hatte sich in der NS-Zeit sowohl zu seiner sorbischen Herkunft bekannt, obwohl die Angehörigen der slawischen Minderheit als »Menschen zweiter Klasse« galten und alle sorbisch sprechenden Pfarrer aus dem Amt gedrängt wurden, als auch zum Glauben gestanden, obwohl katholische Priester starker Verfolgung ausgesetzt waren. Allein in Dachau, wo Andritzki mit 28 Jahren durch eine Giftspritze starb, waren 2500 von ihnen inhaftiert, 1000 kamen um. Sie seien, sagt der Dresdner Bischof Joachim Reinelt, die Berufsgruppe, die »prozentual am stärksten unter den Nazis gelitten hat«. Die katholische Kirche ehrte diese Opfer zuletzt mehrfach: Andritzki ist der dritte in Dachau umgekommene, jetzt selig gesprochene Jugendseelsorger seit 2006, ein viertes Verfahren laufe, so Delan.

Die Sorben haben Andritzki stets in Ehren gehalten; schon 1946 habe es wegen dessen »Märtyrertod« Vorstöße für eine Seligsprechung gegeben, sagt Delan. In der Hofkirche in Dresden wurde bereits damals eine Gedenktafel angebracht. Auch in Radibor wird am Geburtshaus an den engagierten Gemeindesohn erinnert; der katholische Kindergarten ist nach diesem benannt, und eine Straße trägt seinen Namen. Bekannt sei Andritzki aber über die Grenzen des sorbischen Siedlungsgebietes hinaus, betont Delan: So sei nach ihm auch eine Schule benannt – in Polen.

Viele Sachsen – ob gläubig oder nicht – dürften von Andritzki indes erst gehört haben, seitdem die Seligsprechung bevorsteht. Im Februar wurden seine und die Urnen zweier Leidensgenossen feierlich von einem Friedhof in die Dresdner Hofkirche überführt; seit Januar war an verschiedenen Orten Sachsens zudem eine Installation zu sehen, die in einem Film über Andritzkis Wirken informiert.

Am Montag steht der krönende Abschluss an – die Seligsprechung oder »Zboznoprajenje«, wie im Schaukasten der Radiborer Kirche angekündigt wird. 8000 Teilnehmer werden erwartet. Danach darf Andritzki im Bistum Dresden-Meißen als Märtyrer verehrt werden.

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