Doktors Luft-Polster-Schuh

Landarzt Maertens vom Starnberger See erfand den Urtyp einer heute weltbekannten Fußbekleidung

  • Karl-Wilhelm Götte
  • Lesedauer: 3 Min.
Einiges steht in Seeshaupt am Südzipfel des Starnberger Sees noch da wie vor gut 60 Jahren. Da ist der Flachbau mit der alten Werkstatt und dem Schuhlager daneben. An der Eingangstür des Wohnhauses prangt noch das Schild »Dr. med Maertens« und darunter »Luft-Polster-Schuhe«.

Klaus Maertens war vor allem Landarzt, dann erst Erfinder der »Dr. Maertens-Schuhe«. Die Idee mit der Luftpolstersohle verfolgte er nachhaltig und fand in seinem Studienfreund Herbert Funck einen Partner, der das gemeinsame Projekt akribisch umsetzte. 1960 verkauften Maertens und Funk die Produktionslizenz für die Luftpolstersohle an die Firma Griggs & Co nach Northampton. Das englische Unternehmen machte aus dem für Engländer schwierigen Umlaut »Martens« und verkauft seit 51 Jahren die »Doc Martens«. Nach einer kurzen wirtschaftlichen Talfahrt sind die Stiefel mit den berühmten acht Ösen und der Sohle aus »Air Wair« wieder gefragt. Der Umsatz ist auch dank prominenter Träger, wie Lady Gaga oder Jessica Alba, wieder auf etwa hundert Millionen Euro gestiegen und die Griggs Company machte 2010 rund 22 Millionen Euro Gewinn.

Davon profitieren die Söhne von Klaus Maertens und Herbert Funck noch heute. »Wir sind eine Patentgemeinschaft«, erzählt Max Maertens. Er hatte 1987, ein Jahr bevor sein Vater mit 72 Jahren starb, seinen Job als Versicherungskaufmann aufgegeben und sich um den Lizenzvermarktung der Luftpolstersohle gekümmert.

»Herbert Funck war der kongeniale Partner meines Vaters«, sagt Max Maertens. Sein Vater galt eher als ungeduldig. »Bei ihm musste alles schnell gehen«, erzählt Elisabeth Maertens, die heute 89-jährige Witwe des Erfinders rückblickend. Funck war hingegen ein Tüftler, der eine Sache zu Ende bringen wollte. Der Diplom-Ingenieur für Kunststofftechnik konnte als gebürtiger Luxemburger nach Kriegsende 1945 durch alle Grenzen reisen und – zumeist aus Militärbeständen – das benötigte Material beschaffen. Vom Militärflughafen Oberschleißheim holte er viele Tonnen Gummi für die elastische Sohle ab und mit dem Material einer alten Offizierslederhose konnten immerhin zwei Paar Schuhe genäht werden.

Die berühmte Sohle besteht bis heute aus einem gekammerten Absatz und einer Schaumgummisohle vorn. »Die dehnt sich und zieht sich zusammen«, erläutert Max Maertens und hält dabei seinen rechten Schuh in die Höhe. »Dr. Martens« sind nicht ganz billig, aber mit etwa 160 Euro noch erschwinglich. Einst ein Arbeiter- oder Polizistenschuh fand der kurze Stiefel Eingang in die Musikszene. Die Rockgruppe »The Who« machten sie Ende 1960 populär. Der verstorbene Papst Johannes Paul II. hat sie als Halbschuhe getragen, aber auch bei den Skinheads gehörten sie zum bevorzugten Schuhwerk.

Die englische Firma Griggs lässt seit 2003 in Asien fertigen. Die Patentgemeinschaft Maertens und Funck ist daran mit einer Lizenzgebühr pro Paar Schuhe beteiligt. »Die betrifft jedoch nur die Sohle«, klärt Max Maertens. Da die Schuhe nahezu in der ganzen Welt gehandelt würden, müsse er jeder Produktpiraterie und Lizenzverletzung nachgehen. Doch richtig sei auch: »Wenn niemand mehr etwas kopiert, macht mich das auch nachdenklich. Bis zu einem gewissen Grad ist das ja auch ein Kompliment.« Dann zieht Maertens ein Buch hervor, das eine Rangfolge der weltweiten Firmenmarken auflistet. Als Nummer eins wird McDonald's geführt, dann kommt Coca Cola. Maertens blättert zweimal um, zeigt mit dem Finger und sagt mit einigem Stolz: »Dr. Martens ist die Nummer hundert.«

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