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Tafeln nicht nachhaltig

Soziologe kritisiert Versorgungsorganisation

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin/Kassel (ND-Herzberg). Bei seinem derzeitig stattfindenden Jahrestreffen in Kassel bilanziert der Bundesverband Deutsche Tafel ein Negativhoch. Nach eigenen Schätzungen hätten im vergangenen Jahr 1,3 Millionen Menschen regelmäßig Hilfe von den Tafeln in Anspruch genommen. 50 000 Mitarbeiter und Helfer versorgen bedürftige Menschen mit gespendeten Lebensmitteln. Mit seiner flächendeckenden Struktur von mehr als 880 Ausgabestellen habe der Verband aber auch die Rolle eines »Platzhalters im Sozialstaat« eingenommen, konstatiert der Soziologe Stefan Selke.

Der Forscher von der Hochschule Furtwangen bezweifelt einen dauerhaften Nutzen der Tafelbewegung für die Betroffenen. »Breite Bevölkerungsschichten verlassen sich auf diesen Ausdruck der Solidarität. Aber dessen Legitimität kann jederzeit entzogen werden«, sagte Selke gegenüber ND. Er sieht daher nicht, dass die Organisation nachhaltig wirkt. »Die Tafeln sind eher eine Parallelgesellschaft. Sie bieten keine bevormundungsfreien Schutzräume«. Dafür müssten sie etwa durch die stärkere Einbeziehung der Armen und Arbeitslosen »erträglicher« werden. »Im Moment beschränkt sich die Diskussion bei den Tafeln aber auf Mittel und Dienstleistungen«, so Selke. Wie die Tafeln überflüssig gemacht werden können, sei kein Thema.

Im Rahmen des »Tafelmonitors« befragt Selke zurzeit die sogenannten Kunden der Tafeln, um zu erfahren, was es die Menschen auch emotional kostet, zu den Ausgabestellen zu gehen. Ziel ist eine »ehrliche Bilanzierung«, die – wie bereits in den USA geschehen – ergeben könnte, dass es für die Gesellschaft insgesamt günstiger wäre, den Menschen mehr Geld zu geben und sie aus der Fremdbestimmung zu holen. Den Sponsoren und Spendern der Tafeln wie die Metro Group, Mercedes-Benz, Edeka und Rewe, wirft Selke vor, einen »Marktplatz des guten Gewissens« zu nutzen.

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