Handys sollten 45 Blockierer überführen

Sachsens Regierung räumt Fehler im Detail ein, verteidigt aber groß angelegte Ausspäh-Aktion

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 2 Min.
Sachsens Staatsregierung sieht in der groß angelegten Abfrage von Handydaten nach dem 19. Februar eine legitime Ermittlungsmethode. Fehler habe es nur im Detail gegeben – bei der Verfolgung von Blockadeteilnehmern.

Die Nachricht wurde zeitlich geschickt lanciert: Gegen einen Nazi, der im August 2010 einen Brandanschlag auf ein Wohnprojekt in Dresden verübt haben soll, ist ein Verfahren wegen zehnfachen versuchten Mordes eröffnet, war heute zu lesen. Die Überführung ermöglicht hat die Auswertung von Handydaten, sagen Ermittler.

Mit derlei Mitteilungen versucht Sachsens Polizei in die Offensive zu gelangen, die wegen der massenhaften Abfrage von derlei Handydaten nach Protesten gegen Naziaufmärsche in Dresden am 19. Februar schwer unter Druck steht. Vom groß angelegten Ausspähen friedlicher Demonstranten ist die Rede; Landtagsausschüsse befassen sich nächste Woche ebenso mit dem Thema wie das Plenum.

Gestern suchten Innenminister Markus Ulbig (CDU) und sein FDP-Justizkollege Jürgen Martens den Entlastungsangriff. Datenabfragen seien »eine moderne und zeitgemäße Ermittlungsmethode«, sagte Ulbig und verwies auf die Anwendung auch bei Ermittlungen gegen Nazis, die bei der EM 2008 Dönerläden in Dresden angegriffen hatten. Es gehe stets um die Aufklärung schwerer Straftaten: »Die Polizei spioniert nicht.«

Der Minister musste aber einräumen, dass mit den 138 630 am 19. Februar erfassten Datensätzen auch Schindluder getrieben wurde. Die Dresdner Polizei wollte die Daten auch in Verfahren gegen Teilnehmer von Blockaden der Nazi-Demonstrationen verwenden. Martens spricht von 45 Verfahren, die bei der Staatsanwaltschaft gelandet seien. Dort zog man die Notbremse: »Die Verwendung ist gesperrt.« Diese Festlegung sei »zu spät« erfolgt, rügte CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich, der die Datenabfrage ansonsten aber nach Vorlage eines Berichtes der Minister billigte. Sachsen will aber präzisiert wissen, bei welchen Straftaten die Abfrage legitim ist.

Dem Bericht zufolge sind die Daten 65 645 Rufnummern zuzuordnen. Wegen räumlicher und zeitlicher Nähe zu Straftaten seien 460 Nummern herausgefiltert worden, so Ulbig, darunter seine eigene. In Ermittlungen der Soko 19. Februar einbezogen wurden aber auch 896 072 Datensätze, die das LKA bei Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung erhob. Diese richten sich gegen die linksextreme Szene und führten schon zu mehreren Razzien. Die Datenverknüpfung wird damit begründet, dass es am 19. Februar zu Straftaten kam, die offenbar mit den im Visier befindlichen Linken in Verbindung gebracht werden. Die Rede ist vom Angriff mit Pflastersteinen auf in Freital geparkte Busse, in denen Nazis nach Dresden angereist waren.

Die ND-Redakteurinnen und Redakteure, die in Dresden am 19. Februar im Einsatz waren, lassen inzwischen von einem Anwalt prüfen, inwieweit ihre Daten gespeichert sind, und wollen gegebenenfalls dagegen gerichtlich vorgehen.

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