Terrorgerede

Kommentar von Katja Herzberg

  • Lesedauer: 1 Min.

Wenn es die Zahlen eines 300 Seiten umfassenden Berichts nicht hergeben, muss ein Phänomen eben herbeigeredet werden. So verhielt es sich gestern bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2010.

Während wenige Tage zuvor noch der erneute Anstieg von Nazi-Gewalt in den ostdeutschen Bundesländern für Aufregung sorgte, stellte Bundesinnenminister Hans-Peter-Friedrich (CSU) einen Anstieg vermeintlich linksextremistischer Straftaten in den Vordergrund – wohlgemerkt für dieses Jahr. 2010 haben die Behörden noch einen 20-prozentigen Rückgang festgestellt. Sein Kollege in Niedersachsen, Uwe Schünemann (CDU), fühlte sich sogar bemüßigt, Deutschland »an der Schwelle zu einem neuen Linksterrorismus« zu beschreiben. Dass die gezählten Gewalttaten bei vielen Blockaden von Nazi-Aufmärschen, Anti-Atomkraft-Protesten und der Räumung von alternativen Wohnprojekten »verübt« wurden, interessiert den Innenminister dabei nicht. Er vergleicht lieber brennende Luxusautos mit den Sprengstoffanschlägen der RAF.

Dass aber erst im Februar militante Neonazis wegen versuchter Bombenanschläge zu Haftstrafen verurteilt wurden, befinden die Minister als nachrangig. Schlimmer noch: Das konservative Lager nutzt die Konstruktion des Linksextremismus, um von seiner eigenen Schwäche im Kampf gegen Neonazismus und Rechtspopulismus abzulenken. Dabei fehlen nicht nur die Konzepte, sondern auch der politische Wille.

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