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Eine waffenstarrende Königsdiktatur

Saudi-Arabien verletzt massiv Menschenrechte und ist einer der weltweit größten Rüstungsimporteure

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 4 Min.
Dutzende Frauen wurden am Wochenende vor dem Innenministerium in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad festgenommen. Sie hatten für die Freilassung männlicher Verwandter demonstriert. Mit allen Mitteln stemmt sich die autoritäre Ölmonarchie in einem der reichsten arabischen Länder gegen ein Überschwappen der Protestwelle in der Region – und hilft dabei, die Demokratiebewegung auch in Nachbarländern abzuwürgen.

40 Teilnehmer an Protesten für mehr Demokratie unter dem absolutistischen Regime des 86-jährigen Abdullah Bin Abd al-Asis Al Saud, König und »Hüter der heiligen Stätten des Islam« in Mekka und Medina, müssen sich vor einem Staatssicherheitsgericht in Riad verantworten. Sie hatten im März in der Handelsmetropole Dschidda an Solidaritätskundgebungen für schiitische Demonstranten in der Ostprovinz teilgenommen, die die Diskriminierung unter dem weitverzweigten sunnitischen Herrscherhaus anprangerten. Der König und seine Prinzen, die der fundamentalistischen wahhabitischen Richtung folgen, seien der »Klebstoff der Gesellschaft«, so der Politologe Samir Anabtawi.

Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften mit Gewalt niedergeschlagen. Demonstrationen sind in der streng-islamischen Königsdiktatur ohne geschriebene Verfassung und gewähltes Parlament grundsätzlich verboten. Als in Tunesien und Ägypten zu Jahresbeginn die dortigen Despoten gestürzt wurden, warnten Behörden und Geistliche in Saudi-Arabien die Bürger eindringlich davor, ebenfalls auf die Straße zu gehen. Vor allem in den Städten im ölreichen Landesosten, wo der Großteil der schiitischen Minderheit lebt, ist die Überwachung flächendeckend. »Die Behörden unterdrückten weiterhin das Recht auf freie Meinungsäußerung und andere Grundrechte«, bilanzierte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ihrem »Report 2010«.

Selbst wenn Frauen nur am Lenkrad sitzen wollen, stoßen sie an Grenzen und werden verhaftet. Ihnen ist das Autofahren streng untersagt. So wie sie nicht einmal in den Kommunen Wahlrecht haben. Alles in allem also eine »lupenreine Demokratie«, um Altbundeskanzler Gerhard Schröder zu paraphrasieren. Und die schreckt auch nicht vor der Todesstrafe zurück. Seit Jahresbeginn sind laut Amnesty in Saudi-Arabien mit 27 so viele Menschen hingerichtet worden wie im gesamten Vorjahr. Über 100 Häftlinge, die meisten von ihnen Ausländer, warten zur Zeit auf ihre Exekution.

All das geschieht im Namen der »Stabilität« im Lande, die auch beschworen wird, wenn Saudi-Arabien als großer Gegenspieler Irans versucht, seinen Einfluss in der Region auszuweiten. Gerade wurde angekündigt, dass zumindest ein Teil der saudischen Truppen in Bahrain wieder verlegt werden soll. Etwa 1000 Mann waren Mitte März in das kleine Inselkönigreich einmarschiert, um einen Aufstand der schiitischen Mehrheitsbevölkerung gegen die Regierung von König Hamad Bin Issa al-Chalifa blutig niederzuschlagen.

Der Westen goutiert diese Politik, hängt er doch im starken Maße am saudischen Öltropf. Über 16 Prozent des weltweit geförderten Rohöls stammen von den 49 bekannten Ölfeldern Saudi-Arabiens, das zudem über 28 große Gasfelder verfügt. 20 bis 25 Prozent der globalen Ölreserven lagern unter dem Wüstenboden. Auch wenn die Bundesrepublik den Hauptteil ihres Erdöls und Erdgases aus Russland und Norwegen bezieht, sind deutsche Unternehmen im Königreich vielfältig engagiert, vom Marktführer im Autobau bis zum kleinen mittelständischen Maschinenbaubetrieb. Und Rüstungsgüter nicht zu vergessen.

Laut Rüstungsexportbericht der Bundesregierung gehört Saudi-Arabien seit 2008 zu den wichtigsten Empfängerländern deutscher Waffen. So genehmigte Berlin u.a. den Bau einer Fabrik für Sturmgewehre sowie den Export von Teilen für Feuerleiteinrichtungen, Bodenüberwachungsradar, Teile für Kampf- und Tankflugzeuge, Raketen, Granaten oder Systeme für die elektronische Kampfführung und Grenzsicherung. Allein 2009 betrug der Genehmigungswert 167,9 Millionen Euro. Damit lag Saudi-Arabien auf Platz sechs der Bestimmungsländer.

Mit dem jetzt bekannt gewordenen milliardenschweren Panzerdeal würden die tödlichen Geschäfte in eine neue Dimension stoßen. Saudi-Arabien ist dabei, seine Streitkräfte von Grund auf zu modernisieren. Das zahlungskräftige Königreich gehört auf dem internationalen Waffenmarkt zu den potentesten Käufern. Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI bezog es im Vorjahr Rüstungsgüter im Gesamtwert von 787 Millionen US-Dollar (rund 543 Millionen Euro). Damit liegt das Land auf Platz neun unter den weltweiten Waffenimporteuren.

Wichtigster Lieferant waren die USA. Laut SIPRI bezog das Königreich von 2000 bis 2010 aus den Vereinigten Staaten für 1,458 Milliarden US-Dollar Rüstungsgüter, darunter 40 Kampfpanzer des Typs »Abrams«, panzerbrechende Waffen sowie Kampfhubschrauber vom Typ »Apache«. Mit Washington plant man auch das größte Waffengeschäft aller Zeiten mit einem Volumen von 60 Milliarden Dollar. So will Saudi-Arabien in den nächsten Jahren bis zu 84 neue F-15-Kampfjets, 70 »Apache«-Hubschrauber und 72 des Typs »Black Hawk« kaufen.

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