Europas wunder Punkt

Kritik an der Laufzeitverlängerung des AKW Fessenheim

  • Susanne Götze
  • Lesedauer: 3 Min.
Das 34 Jahre alte französische AKW Fessenheim soll durch Umbauten in Millionenhöhe noch zehn Jahre am Netz bleiben. Protest kommt von Anwohnern im Dreiländereck. Nun schaltet sich auch Freiburgs Oberbürgermeister ein.

Normalerweise ist die Laufzeitverlängerung eines französischen AKW keine große Sache – das AKW Fessenheim betrifft jedoch nicht nur das atomfreundliche Frankreich, sondern ärgert vor allem den atomkritischen Nachbarn Deutschland. 25 Kilometer weiter liegt die Stadt der Solar-Pioniere Freiburg – ein Hort für Ökos und Kämpfer der Energiewende. Schon 2008 verkündeten die Freiburger stolz, nun atomstromfrei zu sein. Ein gutes Beispiel schützt jedoch vor der Risikofreudigkeit der Nachbarn nicht: Die für die Sicherheit der französischen Atomkraftwerke zuständige Autorité de sûreté nucléaire (ASN) gab grünes Licht für die Laufzeitverlängerung für das älteste Kraftwerk des Landes. Die technischen Reparaturen kosten den Stromkonzern EDF an die 100 Millionen Euro. Zudem wird es das erste Mal sein, dass eine Zentrale derart umgebaut wird: Diese Baustelle werde eine »Premiere« in Frankreich, so Thierry Rosso, Direktor von Fessenheim.

Die Sicherheitsbehörde fordert eine Verstärkung der nur etwas über einen Meter dicken Betonplatte unter dem Reaktor. Im Falle eines Unfalls soll so ein Durchbruch der radioaktiven Flüssigkeit verhindert werden. Doch selbst wenn die Betonplatte an die zwei bis drei Meter dick sein wird: In Fukushima hielten die bis zu vier Meter dicken Platten das Kühlwasser auch nicht ab, es verseuchte das Trinkwasser der Millionenmetropole Tokio. »Verbessert« werden soll auch das Kühlsystem, vor allem hinsichtlich eines möglichen Stromausfalls.

Das AKW Fessenheim gehört zu den ältesten in ganz Europa und wurde 1978 in Betrieb genommen. Es liegt im Elsass nahe der Dreiländergrenze zwischen Schweiz, Frankreich und Deutschland. Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren Störfälle, bei denen teilweise auch radioaktive Stoffe entwichen. Im April dieses Jahres kam es zu einer automatischen Abschaltung durch einen Bedienungsfehler. Umweltschützer warnten vor erhöhten radioaktiven Werten in der Umgebung. Sie befürchten zudem, dass das AKW nicht genügend vor möglichen Überschwemmungen gesichert sei und so den Rhein bis in die Niederlande verseuchen könnte.

Zudem liegt Fessenheim in der Erdbebenzone des Oberrheins. Sogar die Atomaufsichtsbehörde Autorité de sûreté nucléaire gab offen zu, dass die Sicherheit des AKW bei einem stärkeren Erdbeben nicht gewährleistet sei. Die französische Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet weiß es allerdings besser und betonte kürzlich, dass ein Erdbeben keine Gefahr darstelle: In Fukushima sei ja auch der Tsunami schuld an der Katastrophe gewesen, nicht das Erdbeben.

Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon forderte nun, dass Fessenheim Thema auf dem nächsten deutsch-französischen Gipfel werden soll. Merkel solle sich in den Dialog mit den Franzosen einschalten, schließlich ginge es hier auch um deutsche Interessen. Erst vor einigen Wochen protestierten hunderte Menschen gegen die mögliche Verlängerung von Fessenheim. Der Trinationale Atomschutzverband (TRAS) hat bereits mehrmals versucht, gegen den Betrieb des AKW zu klagen und eine Stilllegung auf rechtlichem Weg zu erzwingen – bis jetzt jedoch ohne Erfolg. Die Ergebnisse der Untersuchung von ASN beweisen abermals, dass das Werk entscheidende Sicherheitsmängel aufweise und Fessenheim unverzüglich abgeschaltet werden müsse, hieß es in einer Erklärung.

Eine Verlängerung der Laufzeiten von Fessenheim war schon vor Fukushima in der Diskussion. Derzeit werden alle 58 Atomkraftreaktoren nacheinander sogenannten nationalen Widerstandstests unterzogen – das findet in Frankreich alle zehn Jahre statt. Allerdings ist das letzte Wort in Sachen Verlängerung noch nicht gesprochen. Denn neben den Routinechecks laufen noch die von der EU vereinbarten Stresstests. Diese Ergebnisse werden allerdings nicht vor Mitte November vorliegen.

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