Kritische Fragen nach neuem Missbrauchsfall

Kardinal Reinhard Marx stellt in München ein kirchliches Internetportal gegen Missbrauch vor

  • Lesedauer: 2 Min.

Obwohl die katholische Kirche nach dem Missbrauchsskandal im vergangenen Jahr offiziell einen Wandel eingeleitet hat, steht sie erneut in der Kritik: In Salzgitter ist ein Priester nach jahrelangen Vergehen an drei Jungen verhaftet worden. Ein vor sieben Jahren erstmals von dem Geistlichen missbrauchter Jugendlicher brachte die Ermittlungen mit seiner Anzeige Ende Juni in Gang.

Schon 2006 gab es Hinweise auf den Pfarrer, es folgte eine Ermahnung und 2010 eine Prüfung durch die Staatsanwaltschaft – ergebnislos. Eine schonungslose Aufklärung der Fälle reicht nicht, erklärt die kirchliche Basis. Die katholische Kirche müsse den verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Sexualität zum Gegenstand ihrer Priesterausbildung machen, sagt Christian Weisner von der Bewegung »Wir sind Kirche«.

2010 wurden immer mehr Missbrauchsfälle in kirchlichen Schulen und Gemeinden öffentlich. Die katholische Kirche reagierte: Die jahrzehntelange Vertuschung solle zu Ende sein, null Toleranz gegenüber Missbrauch lautete die Devise. Dazu wurden die erst 2002 eingeführten Leitlinien zum Umgang mit sexueller Gewalt verschärft. Bei jedem Verdacht auf sexuellen Missbrauch wird die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

In München stellte Kardinal Reinhard Marx am Montag ein kirchliches Internetportal gegen Missbrauch vor. Das Online-Lernprogramm für kirchliche Mitarbeiter soll sexuellem Missbrauch vorbeugen. Auch das für den verhafteten Pfarrer zuständige Bistum Hildesheim ging das Thema Missbrauch an und richtete einen Beraterstab ein, dem eine Psychiaterin als Ansprechpartnerin bei Missbrauch durch Geistliche angehört.

»Der aktuelle Fall zeigt, dass sexuelle Gewalt trotz der Leitlinien nach wie vor vorkommt«, sagt Weisner. Etliche Täter seien selber Opfer der katholischen Sexualmoral und setzen sich nicht mit dem Thema Sexualität auseinander. »Man denkt, mit der Zölibatsverpflichtung bekomme ich das in den Griff.« Tatsächlich müsse die katholische Kirche noch ganz viel aufarbeiten. »Die ganze Kirche muss jetzt so etwas wie eine Psychoanalyse machen, das wird ein langer schmerzhafter Prozess.«

Der Hildesheimer Weihbischof Heinz-Günter Bongartz sagte: »Wo Kinder sind, wird es auch in Zukunft Missbrauch geben, nicht nur in der Kirche, aber leider auch in der Kirche.« Weisner reicht diese Feststellung nicht aus: »Das Bistum muss sich fragen lassen, ob die Kirche nach den Leitlinien von 2002 ausreichend gehandelt hat.« dpa

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