Rock gegen Rechts

Jamel in Mecklenburg-Vorpommern wird von Nazis dominiert. Ein Fest setzt einen Kontrapunkt

  • Frank Pfaff, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Musikfestival »Jamel rockt den Förster«, vor fünf Jahren demonstrativ als Kontrapunkt zum großen Einfluss von Neonazis in dem 40-Einwohner-Dorf in Mecklenburg-Vorpommern gegründet, findet nach Angaben der Veranstalter bei Musikern und Besuchern immer mehr Resonanz. In diesem Jahr werden 500 Gäste erwartet.

Grevesmühlen/Jamel. »Wir bleiben hier. Wir packen an!« prangt es von einem der vielen Wahlplakate der NPD zur bevorstehenden Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern. Eine Losung, die auch für Birgit und Horst Lohmeyer in ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus und Intoleranz zu gelten scheint. 2004 waren sie von Hamburg nach Jamel (Nordwestmecklenburg) gezogen. Zum nun schon fünften Mal hat das Künstlerehepaar in seiner Wahlheimat das Musikfestival »Jamel rockt den Förster« organisiert. 2007 wurde es ins Leben gerufen, demonstrativ als Kontrapunkt zur Dominanz von Neonazis in dem 40-Einwohner-Dorf.

»Jamel schreckt ab. Das wollen wir aufweichen«, sagt Birgit Lohmeyer. Deshalb lässt sich das für sein Engagement vielfach geehrte Paar auch nicht vertreiben. Trotz aller Anfeindungen im Ort, von dem aus die NPD dem Vernehmen nach viele ihrer Plakataktionen organisiert. Vier Wochen vor der Landtagswahl Anfang September ist der Forsthof der Lohmeyers vom 5. bis 7. August wieder Schauplatz für das Musikfestival, das nach ihren Angaben bei Musikern und Besuchern immer mehr Resonanz findet. »Wir erwarten 500 Gäste und damit gut doppelt so viele wie im vorigen Sommer«, sagt die Krimiautorin Lohmeyer. Die jüngsten Ereignisse in Norwegen, bei denen ein Amokschütze auch aus Hass gegen Ausländer Dutzende junger Menschen umbrachte, zeigten, wie wichtig der Einsatz gegen Intoleranz und Fremdenhass sei, meint die Frau.

Erstmals mit Wachdienst

Für das Musikfestival, für das neben Gruppen aus der Region auch Musiker aus München und die Newcomer-Band »Haudegen« nach Jamel kommen, haben Lohmeyers erstmals auch einen professionellen Wachdienst organisiert. Im Vorjahr hätten sich zwei Neonazis unter die Zuhörer gemischt und einen Besucher krankenhausreif geschlagen. Toleranz könne eben doch nicht grenzenlos sein, habe er erkennen müssen, sagt Horst Lohmeyer. »Auf dem Festival sind keine Leute erwünscht, die den Rechtsextremisten nahestehen«, macht der Musiker deutlich. Etwa die Hälfte der Dorfbevölkerung wird dem rechtsextremistischen Spektrum zugerechnet.

Auch Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), seit 2009 Schirmherr der Veranstaltung in Jamel, hält Toleranz gegenüber rechtsextremistischen Umtrieben für unangebracht. »In der Frage muss jeder Farbe bekennen«, betont er und kündigt für den Wahlkampf auch eine konsequente Auseinandersetzung mit der NPD an, die nach ihrem Erfolg 2006 erneut in den Landtag einziehen will. Der augenfälligen Vorherrschaft der NPD-Wahlplakate in den ländlichen Regionen des Landes würden die anderen demokratischen Parteien schon bald begegnen, versicherte der SPD-Spitzenkandidat.

Für Nordwestmecklenburgs Landrätin Birgit Hesse (SPD) ist der Forsthof der Lohmeyers mit den Konzerten und Kunstaktionen inzwischen so etwas wie ein Leuchtturm im Kampf für Demokratie. »Und das in einer Region, die die Rechtsextremisten für sich vereinnahmen wollen«, würdigt sie das Engagement der Eheleute, die im Mai vom Zentralrat der Juden in Deutschland mit dem renommierten Paul-Spiegel-Preis ausgezeichnet worden waren. Der Landkreis habe die Musikfestivals mit bislang 15 000 Euro unterstützt. »Wo, wenn nicht da, wollen wir fördern«, sagt die Kommunalpolitikerin.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, hatte vor wenigen Wochen die Behörden kritisiert, sie hätten über Jahre hinweg viel zu wenig gegen die braunen Umtriebe in Jamel getan. Doch erkannte er auch Fortschritte an. So ordneten staatliche Stellen in diesem Jahr die Entfernung eines großen Steins und eines Wegweisers an.

NPD-Aktivist vor Gericht

Der Findling trug eine Tafel mit der Aufschrift »Dorfgemeinschaft Jamel, frei – sozial – national«. Auf demselben Grundstück stand der Wegweiser mit den Entfernungsangaben unter anderem zum Hitler-Geburtsort Braunau in Österreich.

Mit Sven Krüger wurde zudem einer der langjährigen NPD-Aktivisten im Ort vor Gericht gestellt. Er muss sich vor dem Schweriner Landgericht wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und unerlaubten Waffenbesitzes verantworten. Der mehrfach vorbestrafte Abriss-Unternehmer und frühere NPD-Kreistagsabgeordnete legte bereits ein Geständnis ab.

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