Vater Le Pen verdirbt seiner Tochter das Konzept

Frankreichs Rechtsextreme verharmlosen Anschläge in Norwegen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Morde des rechtsextremen Terroristen Anders Behring Breivik in Oslo und auf der Insel Utøya wurden von den französischen Rechtspopulisten und Rechtsextremen heruntergespielt.

Frankreichs Politiker vom rechten Rand konnten oder wollten keine ideologische Linie von ihrer eigenen Ideologie zu der des Attentäters Breivik erkennen. Im Gegenteil: Wer in der Öffentlichkeit auf diese Verbindung hinweist, wird von ihnen mit Wut, Hass und Prozessdrohungen überzogen. So erging es der französischen Bewegung gegen Rassismus und für Völkerfreundschaft (MRAP), die für die Anschläge in Norwegen nicht zuletzt das »verderbliche Klima« verantwortlich machte, das rechtsextreme und rechtspopulistische Kräfte in Europa insbesondere mit ihrem Fremdenhass und ihrem Rassismus verbreiten. Zu diesen Kräften zählt die MRAP ausdrücklich auch den rechten Flügel der französischen Regierungspartei UMP, der sich selbst als »Droite populaire« – Volksnahe Rechte – bezeichnet und »ausspricht, was viele Franzosen denken«.

Dieser nach dem Debakel der Rechten bei den Regionalwahlen 2010 gebildeten Gruppierung gehören rund 60 Abgeordnete an, die das Regierungsschiff noch weiter nach rechts drängen möchten und durch Gesetzesinitiativen und öffentliche Stellungnahmen dazu beitragen. Ohne das aussprechen zu müssen, erinnern sie Präsident Nicolas Sarkozy bei jeder Gelegenheit daran, dass er seine Wahl 2007 nicht zuletzt einem Teil der traditionellen Wähler der rechtsextremen Front National (FN) verdankt, die in ihm den Hoffnungsträger sahen.

Durch die Einschätzung der MRAP fühlt sich dieser UMP-Flügel demaskiert, seine Sprecher reagieren entsprechend scharf. Der Abgeordnete Bernard Carayon sieht darin eine »Brüskierung der Abgeordneten und des durch sie repräsentierten Willens der Wähler« und fordert die Regierung auf, der MRAP sofort jegliche Subventionierung durch öffentliche Gelder zu entziehen. Verkehrsminister Thier- ry Mariani, der zu den Gründern der »Volksnahen Rechten« gehört, bezeichnete die Äußerung der MRAP als »schockierend und erbärmlich«. Die Antirassismusorganisation selbst sieht in diesen wütenden Reaktionen ein sicheres Indiz dafür, dass sie mit ihrem Urteil ins Schwarze getroffen hat.

Auch die neue Vorsitzende der rechtsextremen Front National wetterte, die MRAP bediene sich der »tragischen Ereignisse in Norwegen« und der Debatten über Ursachen und Zusammenhänge, um »Verwirrung zu stiften« und »die Front National und mit ihr alle national denkenden Franzosen zu verunglimpfen«. Marine Le Pen droht der MRAP inzwischen mit einer Klage wegen »Diffamierung«.

Die Politikerin war erst Anfang des Jahres zur Parteivorsitzenden aufgestiegen und ist seitdem fieberhaft bemüht, den Ruf der FN aufzupolieren und ihr ein ehrbar-demokratisches Mäntelchen umzuhängen. So sollen beispielsweise Nostalgiker des Vichy-Regimes oder ausgewiesene Neonazis, auf die sich die FN bei ihrer Gründung vor 30 Jahren stützte und die heute ihrem neuen Image schaden könnten, aus der Partei gedrängt werden.

Doch auf diesem Kurs kommt der Parteivorsitzenden ein gewichtiger Störfaktor in die Quere – ihr eigener Vater Jean-Marie Le Pen, Mitbegründer, langjähriger Vorsitzender und jetziger Ehrenpräsident der FN. Während die Tochter um Distanz zu den Motiven des Attentäters von Oslo bemüht ist und seine Taten im Namen der FN verurteilt, bezeichnete ihr Vater in seinem Internet-Blog Breiviks Morde als »Unfälle« und meinte, viel schwerer wiege die »Naivität« der norwegischen Regierung und der »multikulturellen Eliten« gegenüber der »Kolonialisierung« Europas durch Einwanderer aus der Dritten Welt und insbesondere Muslime. Darauf habe auch »dieses Individuum in seinem mörderischen Wahn« aufmerksam machen wollen.

Die Parteivorsitzende hat sich von den entlarvenden Entgleisungen ihres Vaters mit keinem Wort distanziert. Die Kritik der Sozialisten an dessen Äußerungen bezeichnete sie jedoch als »empörende Ausnutzung der Tragödie des norwegischen Volkes für innenpolitische Zwecke«.

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