Ein Tablet-Computer für jeden Schüler

Kontroverse in Thailand über das Wirtschaftskonzept »Thaksinomics 2.0« der neuen Regierung

  • Michael Lenz, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.
Die neue thailändische Regierung setzt in der Wirtschaftspolitik auf staatliche Nachfrageförderung.

Die Thais im Isan haben allen Grund zu feiern. Einmal mehr haben die Bauern im armen Nordosten Thailands der Partei Puea Thai des 2006 gestürzten Premierministers Thaksin Shinawatra zur Mehrheit verholfen. Voraussichtlich heute wird das Parlament Thaksins jüngere Schwester, Yingluck Shinawatra, zur neuen Ministerpräsidentin wählen.

Mit der Regierungsübernahme dürfte die von Thailands Elite verachtete, im Volk aber beliebte Wirtschafts- und Sozialpolitik Thaksins wieder auferstehen. Ein Kernpunkt der »Thaksinomics« waren wirtschaftliche Förderprogramme, Krankenversicherung sowie Mikrokredite für Arme, Landwirte und kleine Gewerbetreibende. Zum Wahlerfolg von Yingluck Shinawatra trugen Wahlversprechen bei, die sich auf 8,5 Milliarden Dollar summieren würden: von Steuersenkungen für Unternehmen über die Erhöhung des Mindestlohns und die Verdoppelung des Reispreises für die Bauern bis hin zum Tablet-Computer für jeden Schüler.

Die Kommentare zu »Thaksinomics 2.0« fallen höchst unterschiedlich aus. Der Opposition nahestehende Experten halten dieses Programm für unbezahlbar und inflationstreibend. Fachleute der Universität der Handelskammer hingegen lobten das Konzept dagegen als Weg aus der Armut, rieten aber Yingluck Shinawatra, ihre Politik mit Bedacht und nicht mit der Brechstange umzusetzen

Über staatliche Nachfrageförderung im Allgemeinen wird auch in Thailand seit Jahrzehnten unter Wirtschaftsexperten und Politikern heftig debattiert. Noch leidenschaftlicher aber sind die Diskussionen über den Keynesianismus der Puea-Thai-Partei, wobei sich der hitzige Streit vor allem um die Person Thaksin dreht: Die Fans sehen in ihm einen thailändischen Robin Hood, die Gegner halten die Sozial- und Wirtschaftspolitik des IT-Milliardärs für puren Populismus und unverfrorenen Stimmenkauf.

Während der Regierungszeit Thaksins gab es allerdings unbestreitbare wirtschaftliche und soziale Erfolge. So konnten die in der Folge der asiatischen Finanzkrise beim Internationalen Währungsfonds aufgenommenen Kredite vier Jahre vor Fälligkeit zurückgezahlt werden. Zudem wurden große Fortschritte bei der Armutsbekämpfung erzielt. 2009 lebten laut Weltbank noch gut acht Prozent der Thais unter der Armutsgrenze – das ist eine der niedrigsten Raten unter den asiatischen Schwellenländern.

Die Thaksinomics sind das Geheimnis der ungebrochenen Popularität des früheren Ministerpräsidenten und seiner Sippe. Ein Nebeneffekt war, dass der wirtschaftliche und soziale Aufstieg auch politisches Selbstbewusstsein schuf. Gerade die Bewohner der lange Zeit vernachlässigten Regionen wie dem Isan begreifen sich zunehmen als politische Macht gegen »die in Bangkok«.

Ob die Elite in der Hauptstadt nach dem Putsch und der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste der Thaksin-Anhänger im Frühjahr 2010 dieses Mal die Regierung akzeptieren wird, bleibt abzuwarten. Der Erfolg von Yingluck Shinwatra wird auch davon abhängen, ob es er gelingt, ein anderes Wahlversprechen mit Leben zu erfüllen: die Versöhnung des politisch tief gespaltenen Landes.

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