Bar Jeder Vernunft

Saxbomben

  • Antje Rößler
  • Lesedauer: 3 Min.

Vier Nonnen mühen sich mit dem Auseinanderklappen eines Falt-Kruzifixes. Sie stimmen einen Gregorianischen Choral an, der nach und nach in eine Samba übergeht, zu der sie temperamentvoll die Kutten schwenken. Der Clou ist, dass sich unter den Gewändern vier Herren verbergen, die zudem noch Saxofon spielen.

Die Musiker des Pariser Saxofonquartetts Les Désaxés ziehen die Klischees sämtlicher Musikgenres durch den Kakao. Saxofone in jeder Stimmlage kommen dabei zum Einsatz, vom durchdringenden Sopran- bis zum grummelnden Baritonsax. Doch auch als Sänger, Komiker, Tänzer, Clowns oder Pantomimen machen die Musiker eine gute Figur. Bis Mitte August gastiert die vielseitig begabte Viererbande mit ihrer neuen Show »Sea, Sax and Fun« in der Bar Jeder Vernunft.

Les Désaxés reisen durch die Welt der Musik und stibitzen dafür Klänge aus allen Epochen. Klassik, Rock und Techno, Jazz, Gospel und Flamenco werden kunterbunt durcheinander gewürfelt. Bach kommt nach den Stones; Michael Jackson neben der »Tatort«-Melodie. Auch Folklore aus aller Herren Länder haben Les Désaxés drauf: Chinesische Pentatonik, sibirischer Obertongesang oder afrikanische Rhythmen – all das wird ohne viel Federlesens in geistreiche Saxofon-Arrangements gepackt.

Die Wortlosigkeit ihrer Kunst macht es möglich, dass Les Désaxés in aller Welt verstanden werden. Gleichzeitig haben die Musiker durchaus Sinn für verbale Finessen. Schon der Name der Gruppe ist ein Wortspiel. »Désaxé« bedeutet im Französischen »aus der Achse geraten« und bezeichnet gesellschaftliche Außenseiter. Zugleich ist natürlich das Saxofon im Namen verewigt.

Angesichts der aufgebotenen Stilvielfalt fragt man sich, wo eigentlich die musikalische Heimat der vier Saxofonisten liegt. »Wir alle haben das Handwerk eines klassischen Orchestermusikers erlernt, Konservatorien in Paris absolviert und internationale Wettbewerbe gewonnen«, sagt Ensemble-Mitglied Frédéryk Saumagne. »Aber wir sind für alle Musikrichtungen offen. Michel ist zum Beispiel mit einer Blaskapelle über die Dörfer getingelt und tritt regelmäßig in Fernsehshows auf; Guy spielt im Orchester der Pariser Oper. Aber Les Désaxés ist unser Hauptprojekt.«

In den 17 Jahren ihres Bestehens hat die Truppe ihre ganz besondere Art verfeinert, den halsbrecherischen Parcours durch die Welt der Musik auch gestisch und mimisch darzustellen. Worte sind dabei überflüssig. Mit Vorliebe machen sich die vier über eingefahrene Klischees der verschiedenen Genres lustig: Sie nehmen manierierte Dirigentenposen ebenso aufs Korn wie aufgesetzte Rapper-Coolness oder das intellektuelle Gehabe von Avantgarde-Jazzern. Genauso überzeugend spielen sie aber auch mal eine besoffene Militärkapelle. Womit sie den Beweis erbringen, dass Lachen und Saxofonspielen eng zusammen gehören – beides regt die Bauchmuskeln an.

Bis 14. August, Bar Jeder Vernunft

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