Mehr als Propaganda?
Schau zu Olympia 1936
Ku Chung Son senkte bei der Siegerehrung seinen Kopf und vermied den Blick auf die japanische Flagge. Der 24-jährige Marathon-Olympiasieger musste 1936 in Berlin aufgrund der Besetzung seines Heimatlandes Korea für die Besatzungsmacht Japan starten, hat aber seine Herkunft nie verleugnet. Das Foto, das die Gefühle des Koreaners bei den Olympischen Spielen eindrucksvoll widerspiegelt, ist eines der Highlights der Foto-Ausstellung im Olympiapark Berlin.
Nach einem Jahr Recherche und Planung hat das Deutsche Sportmuseum Berlin die Pforten zu dieser ganz besonderen Olympia-Ausstellung geöffnet: Anhand von 100 ausgewählten Fotografien soll dem Besucher eine neue Seite der Propaganda-Spiele von 1936 nahegebracht werden.
Ziel des Fördervereins für das Sportmuseum, der die Ausstellung initiierte, ist es, Eindrücke zu vermitteln, die sich von bisher bekannten Aufnahmen der Olympischen Spiele in Berlin unterscheiden: Die ausgewählten Exponate sind frei von nationalsozialistischer Bildästhetik und propagandistischem Gedankengut.
Laut Gerd Steins, dem Vorsitzenden des Fördervereins, war die Dokumentation der Berliner Spiele bisher auf das vorliegende Bild- und Textmaterial angewiesen. Dies Material stammte ausschließlich aus einseitigen NS-Quellen: Medienvertreter wurden unter dem Primat des Propaganda-Ministeriums bestimmten Wettkämpfen zugeteilt und in ihrer Arbeit erheblich eingeschränkt.
Das jetzt aufgearbeitete, neue Material wird nun erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Aus dem 1200 Abzüge umfassenden Olympia-Archiv des Deutschen Sportmuseums wurden 100 Motive ausgewählt, um »andere Wege in der Berichterstattung zu gehen«, bemerkte der Initiator. Die exklusiven Fotografien wurden aus Privatbeständen und Nachlässen von Funktionären zusammengetragen.
Die Aufnahmen erzählen Geschichten, die über das rein Sportliche hinausgehen. So wird anhand verschiedener Fotografien der Bau des Olympiastadions dokumentiert. Ein weiteres Bild zeigt den regen Tauschhandel mit Eintrittskarten vor einem Verkaufsstand in der Berliner Innenstadt – wissenswerte Anekdoten, die in der Aufarbeitung der »Propagandaspiele« des NS-Regimes bislang untergingen.
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