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Palästina – Staat oder Statist im Nahen Osten?

Nach jahrzehntelangem Ringen um Anerkennung wollen die Palästinenser jetzt ihre Vollmitgliedschaft in der UNO

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Vereinten Nationen in New York erlebten am Freitag den vorläufigen Höhepunkt des Bemühens der Palästinenser um einen eigenen Staat. Trotz einer Vetodrohung der USA hat Palästinenserpräsident Abbas beim UN-Generalsekretär den Antrag auf Vollmitgliedschaft eines Staates Palästina bei den Vereinten Nationen eingereicht. Er wurde anschließend in der Vollversammlung mit langem Applaus der Delegierten begrüßt.

Der Antrag, den Palästinenserpräsident Mahmud Abbas am gestrigen Abend anschließend auch in seiner Rede vor dem Plenum der Vereinten Nationen stellte, markiert den vorläufigen Höhepunkt eines bereits über sechs Jahrzehnte langen Kampfes um nationale Eigenständigkeit der Palästinenser. Und er hätte selbst bei einer Zustimmung noch einen weiten Weg vor sich. Doch die von Abbas und seiner Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) auf den Weg gebrachte Abstimmung setzt eine Wegmarke im Streit um eine Lösung des Nahostkonflikts.

In New York erklärte Abbas, Ziel des palästinensischen Volkes sei ein eigener Staat mit dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen und mit Ostjerusalem als Hauptstadt. Die PLO und das palästinensische Volk hielten an einem Gewaltverzicht fest und verurteilten Terrorismus in jeder Form. Die Palästinenser, so Abbas, sehen Verhandlungen als wichtigstes Mittel, den Konflikt beizulegen. »Hier erkläre ich, dass die PLO bereit ist, umgehend an den Verhandlungstisch zurückzukehren, auf der Basis der internationalen Abkommen und beim völligen Stopp der (israelischen) Siedlungen.«

In der Generalversammlung kann Abbas mit klarer Zustimmung rechnen. Da bereits mehr als 120 Mitgliedstaaten in New York ein deutliches Ja signalisiert hatten, würde Palästina ohne Mühe 194. UNO-Mitglied werden. Im Sicherheitsrat jedoch werden die USA ihr Veto einlegen. Daran hatte Präsident Barack Obama am Donnerstag keinen Zweifel gelassen.

Keine der beteiligten Seiten bestreitet allerdings, dass hinter den Kulissen wohl noch nie so intensiv um einen Ausweg gerungen wurde wie dieses Mal. Zwar sagt Obama, ungeachtet vergangener anderer Erklärungen zum Nahostkonflikt, dass er, sollte es zum Schwure kommen, Israels Position unterstützt.

Diese aber, das wollte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gestern Abend im Anschluss an die Rede von Abbas unmissverständlich klarmachen, lautet: zuerst israelisch-palästinensische Verständigung über alle wichtigen Fragen und dann UNO-Abstimmung über das erzielte Ergebnis, was immer das auch sei – ein Staat, ein autonomes Gebilde, ein von Israel militärisch kontrollierter territorialer Flickenteppich.

Nach den Erklärungen von Israels Außenminister Avigdor Lieberman vom Mittwoch präferiert er Letzteres. Auch deshalb ist die stereotype Forderung des Westens an die Palästinenser, doch weiterzuverhandeln, reichlich verlogen. Netanjahu hat vor seiner gestrigen Rede unterstrichen, weder über den vollständigen Rückzug noch über die Rückkehr von Flüchtlingen reden zu wollen. Außerdem reklamierte er erneut ein Recht auf »verteidigungsfähige Grenzen« – ein Kriterium, das bei Akzeptanz durch die Völkergemeinschaft Krieg überall in der Welt am Fließband produzieren könnte.

Doch eine Übernahme des israelischen Standpunktes birgt für die USA große Unwägbarkeiten. In lange nicht gekannter Deutlichkeit haben sich die Mitglieder der Arabischen Liga dafür ausgesprochen, den Abbas-Antrag zu unterstützen. Der ägyptische Außenminister Mohammed Amr warnte die USA noch gestern davor, im UN-Sicherheitsrat ihr Veto gegen den palästinensischen Antrag auf Vollmitgliedschaft einzulegen. Dies, erklärte er gegenüber BBC, »wird die Gefühle in den Straßen aufheizen, nicht nur in Ramallah (im Westjordanland), sondern auch in der weiteren arabischen Welt«.

Der Ausweg liegt nun vermutlich in einem Formelkompromiss. Mit fast nichts wie bisher wird der Westen die Araber aber diesmal kaum abspeisen können.

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