Soziale Mobilität nimmt weiter ab

Gestern erschien der »Sozialbericht 2011« zur Lebensqualität in Deutschland

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 2 Min.
Soziologie und Statistik zeigen: Etwa bei den Geschlechterverhältnissen gibt es positive Entwicklungen. Doch die gesellschaftlichen Ressourcen sind immer ungleicher verteilt.

Roderich Egeler, Präsident des Statistischen Bundesamtes, will »Messgrößen für gesellschaftliche Wohlfahrt«, die über die begrenzte Aussagekraft des Bruttoinlandsprodukts hinausgehen. Dr. Roland Habich vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung strebt ein »ganzheitliches Bild der Lebensverhältnisse« an. Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, hält fest, dass der so genannte Datenreport »wieder einmal verwendbares Material für eine breite Öffentlichkeit aufbereitet und emotionsgeladene Debatten somit auf ein rationales Fundament stellt«.

Die genannten Institutionen geben alle zwei Jahre die auch »Sozialbericht« genannte Studie heraus, die zur Erfassung gesellschaftlicher Entwicklungen Daten des Statistischen Bundesamtes mit sozialwissenschaftlichen Forschungsergebnissen verbindet.

Für die Qualität der gestern in Berlin vorgestellten Daten sind die drei Sprecher also voll des Lobes. Für den Zustand der Gesellschaft können sie das nicht sein, denn an beiden Enden der Einkommenstabelle sinkt die soziale Mobilität seit den 1980ern.

Immerhin stieg die Zahl der Frauen an, die ihren Lebensunterhalt überwiegend aus eigener Erwerbstätigkeit bestreiten können; und insgesamt gesehen werden die Einstellungen zur traditionellen Aufgabenteilung im Haushalt und bei der Einschätzung der Konsequenzen der Frauenerwerbstätigkeit egalitärer.

Doch bleiben hier die Diskrepanzen zwischen alten und neuen Bundesländern bestehen, und zwar sowohl, was die objektiven Lagen betrifft (im Osten haben etwa viel mehr Akademikerinnen Kinder), als auch, was Einstellungen angeht (Frauen im Westen sind eher an einer Teil-, als an einer Vollzeitstelle interessiert).

Eine andere Konstante mag hingegen überraschen, findet Roland Habich: »Der Stellenwert, den die Menschen der Familie zuschreiben, ist unverändert hoch. Die Mehrheit der Bevölkerung gibt an, dass man Familie zum Glück braucht.« Die Zahlen bestätigen das: Menschen mit Familie, selbst (Ehe-)Paare ohne Kinder, geben durchschnittlich eine höhere Lebenszufriedenheit an.

Auch zum Thema Unzufriedenheit sind die Ergebnisse deutlich: Das Risiko des Verbleibs in Armut stieg leicht an, wobei insbesondere mehrfache oder dauerhafte Armutserfahrungen häufiger geworden sind. Fast jede/r dritte Armutsgefährdete (Menschen mit weniger als 929 Euro im Monat) kann sich nach eigenen Angaben nicht mindestens jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit mit Fleisch, Fisch oder entsprechenden vegetarischen Zutaten leisten.

Diese Daten nahm die LINKE-Vizevorsitzende Katja Kipping zum Anlass für eine Pauschalkritik, denn die Zahl der Vermögensmillionäre sei von 2008 bis 2010 um 15 Prozent angestiegen. »Die herrschende Politik in Deutschland spaltet die Gesellschaft immer weiter«, so ihr Fazit.

Der Datenreport im Internet: www.wzb.eu

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