Konditor mit Saxofon

Im südbrandenburgischen Uckro erinnert ein Erlebnismuseum an einen fast vergessenen Dorfbewohner

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 4 Min.
Eine kleine, aber feine Ausstellung ist noch bis zum Jahresende auf dem »Zweij Hufen Guth« der Familie Pundrich im südbrandenburgischen Uckro zu sehen. Sie beschäftigt sich mit dem Leben des Komponisten Max Pietrzak, der hier im Dorf bis zu seinem Tod 1984 lebte.
Dokumente und Saxofon von Max Pietrzak in der Ausstellung
Dokumente und Saxofon von Max Pietrzak in der Ausstellung

Auf dem Uckroer Pundrich-Hof wird Max Pietrzak, der Komponist und Konditor, zu seinen Lebzeiten wohl selten gewesen sein. Dabei hätte er gerade mal zehn Minuten zu Fuß gebraucht, um von seinem kleinen Häuschen in der Ortsmitte hierher zu gelangen. Der Hof war seit dem Jahr 1756 im Besitz von Bauern - und deren Nachfahren hatten nicht viel am Hut mit einem, der sich den lieben langen Tag über seine Notenhefte beugte.

International gespielt

Die Bauern waren von Natur aus skeptisch. Gegenüber diesem Burschen aus Costebrau aber, der in den zwanziger Jahren mit seinen Eltern und acht Geschwistern in das kleine Dorf am Rand des Fläming gekommen war, gab es dafür gleich mehrere Gründe. Zum einen gehörte er zu den Zugezogenen und zum anderen hatte er einen Beruf gewählt, den die Bauern als Broterwerb nicht akzeptieren wollten, den des Musikers und Komponisten.

Allenfalls am Wochenende, wenn Max Pietrzak mit Klarinette oder Saxofon und den Schlagersternen Blau-Weiß in den Gasthöfen des Ortes - auf 600 Einwohner kamen in Uckro in den Nachkriegsjahren des letzten Jahrhunderts immerhin drei! - oder der Umgebung zum Tanz aufspielte, waren sie mit dem Mann ein wenig versöhnt. Der hatte ein Leben als gelernter Konditor verschmäht und sich lieber der wenig einträglichen Kunst mit den Instrumenten gewidmet.

Als Pietrzak 1984 starb, wusste kaum jemand im Dorf, dass er ein Lebenswerk von 54 Kompositionen hinterließ, die weit über Deutschland hinaus im Rundfunk erklangen. Dazu Liedtexte und einen umfangreichen Briefwechsel mit Musikern, Komponisten sowie Rundfunkmitarbeitern. Und sein Saxofon. Und die Feuerwehruniform. Gloria Pietrzak, die Tochter des Komponisten, benötigte keine große Überredungskunst, um den Uckroer Dorfverein in diesem Jahr zu einer Ausstellung über ihren Vater zu bewegen. Seit sich Burglind Pundrich - übrigens auch eine Zugezogene - und ihr Mann Helmut des musikalischen und schriftlichen Erbes des einstigen Uckroers annahmen und es in ihrem Erlebnismuseum ausstellten, kamen schon mehr als 600 Besucher. Sie haben die vergilbten Fotos angeschaut, die Noten betrachtet, das Saxofon, die Feuerwehruniform, den alten Berufsausweis vom 1. April 1948, die Briefe und Dokumente. Unter den Besuchern waren einige Uckroer und zahlreiche Gäste der Pension, die von den beiden Pundrichs auf dem »Zweij Hufen Guth« zusätzlich zu ihrem Bauplanungsgeschäft betrieben wird. Zum Glück haben Erika Pietrzak, die inzwischen ebenfalls verstorbene Frau des Komponisten, und ihre Tochter nichts, aber auch gar nichts vom Mann und Vater weggeworfen. Darin ähneln sie den Pundrichschen Vorfahren unbedingt, denn die Grundlage für den vor neun Jahren gegründeten Verein »Land- und Erlebnismuseum zu Uckro« waren Gegenstände, die diese zusammengetragen hatten: die bemalte Bauerntruhe aus dem Jahr 1812, ein Silberhochzeitskranz von 1896, das Plinseneisen, der alte Pflug und der Zwei-Zylinder-Junker-Traktor.

»Wir lieben alte Dinge, wollen sie bewahren und zeigen, wie das bäuerliche Leben früher war«, sagt Burglind Pundrich. Sie und ihr Mann verwenden einen großen Teil ihrer Freizeit für dieses Hobby - zusammen mit rund drei Dutzend Gleichgesinnten, die inzwischen zu dem vor neun Jahren gegründeten Verein »Land- und Erlebnismuseum zu Uckro« gehören.

Seither hat die kleine, engagierte Gruppe im ehemaligen Schweinestall des Hofes Puppenstuben, Sammeltassen, Wintergefährte und Weihnachtsdekor ausgestellt oder Veranstaltungen organisiert, bei denen Kinder selbst Nudeln herstellen und auf einem alten Eisen Hefeplinsen backen können.

Inspiriert durch Noten

Die meisten Mitglieder arbeiten in ihrer Freizeit für den Verein, und wer sich die Vitrinen mit den Dokumenten und die lebensgroße Puppe mit Max Pietrzaks Feuerwehruniform anschaut, der kann ungefähr ahnen, wie viele Stunden und Tage dafür draufgehen. »Aber wir unterwerfen uns keinem Stress«, kommentiert Vereinsmitglied Irene Nerlich aus Gebersdorf das kollektive Engagement. »Schließlich gehen wir alle arbeiten«, ergänzt Mitstreiterin Marlies Donath aus dem benachbarten Luckau.

Hans-Georg Nerlich hat sich inzwischen durch die Noten von Max Pietrzak inspirieren lassen. Er spielt mit leidenschaftlicher Begeisterung dessen Stück »Swetlana« auf der Klarinette, einem Ins-trument, welches die beiden Männer verbindet, die sich nie kennenlernten. Denn auch Max Pietrzak beherrschte es virtuos.

Land- und Erlebnismuseum, Uckroer Dorfstraße 25, Ortsteil Uckro, 15926 Luckau, Telefon (035454) 87542, Besuch nach Voranmeldung.

Irene und Hans-Georg Nerlich, Marlies und Peter Donath sowie Burglind Pundrich (v.l.n.r.) im »Museumsschweinestall«
Irene und Hans-Georg Nerlich, Marlies und Peter Donath sowie Burglind Pundrich (v.l.n.r.) im »Museumsschweinestall«
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