Vom Gefängnis in die Psychiatrie

Neue Repressalien gegen ägyptischen Blogger

  • Juliane Schumacher, Kairo
  • Lesedauer: 2 Min.
»Wird jeder Kritiker des ägyptischen Militärs jetzt als geisteskrank gebrandmarkt?« fragt entsetzt ein Blogger im Netz. Zumindest im Fall Maikel Nabil Sanad scheint es so.

Der seit März inhaftierte Blogger und Militärkritiker Maikel Nabil Sanad ist am Sonntag auf Anordnung des Militärgerichts in eine psychiatrische Anstalt gebracht worden. Dort soll er 45 Tage zur »Beobachtung« bleiben. Vom Gericht bestellte Anwälte hatten Zweifel an Sanads »geistiger Gesundheit« geäußert. Sanads Prozess war am vergangenen Donnerstag neu aufgerollt worden. Er selbst und seine Familie waren der Verhandlung fern geblieben, sie wollten nach eigenen Aussagen diese »Farce« nicht unterstützen.

Unterstützer befürchten, die Verlegung diene nicht nur der Stigmatisierung der von Sanad geäußerten Kritik an der Herrschaft des Militärs und dem unrechtmäßigen Verfahren gegen ihn, sondern auch dazu, zwangsweise seinen Hungerstreik zu brechen. Sanad befindet sich seit über 60 Tagen im Hungerstreik, sein Gesundheitszustand war zuletzt bereits äußerst kritisch. In einem Brief aus dem Gefängnis hatte Sanad am Tag vor der Verhandlung mitgeteilt, er distanziere sich von einer Entschuldigung, die sein Vater, im Versuch, ihn zu retten, öffentlich im Fernsehen an das Militär gerichtet hatte. Er stehe weiter zu jedem Wort, das er geschrieben habe. »Der Militärrat ist derjenige, der sich für seine Verbrechen entschuldigen muss, für Mord, Folter und unrechtmäßige Verfahren. Der Militärrat ist derjenige, der sich bei mir entschuldigen muss dafür, dass er mich einsperrt, foltert, mir den Mund verbietet, mich und meine Freunde und Verwandten bespitzelt.« Lieber würde er sterben, schreibt Sanad, als die Einschränkung seiner Freiheit ohne Protest hinzunehmen.

Die ägyptische Blogger-Gemeinde und Menschenrechtsorganisationen haben sich entsetzt über die Verlegung in die Psychiatrie geäußert. Dies »rufe Erinnerungen an dunkle Zeiten hervor, als politische Gegner in psychiatrische Anstalten eingesperrt wurden, um sie zu isolieren und abweichende Meinungen lächerlich zu machen«, schreibt das Sekretariat für psychische Gesundheit, eine Organisation, die sich um Folteropfer kümmert. Die Militärregierung unterband die Berichterstattung über den Fall, auf Englisch erschienene Artikel auf den Webseiten der ägyptischen Zeitungen »Al-Ahram« und »Al-Masry Al-Youm« verschwanden noch am Tag des Urteils aus dem Netz und waren erst Tage später wieder abrufbar. Auf Arabisch gab es quasi keine Berichterstattung.

Der Friedensaktivist Sanad (26) war im März verhaftet und in einem Prozess wegen »Beleidigung des Militärs« zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte in einem Artikel auf seinem Blog die Rolle des Militärs während der Revolution analysiert. Während sein Fall im Ausland für Aufsehen sorgte, blieb das Interesse in Ägypten selbst über Monate hinweg gering.

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