BLOGwoche: Privatsphäre im Internet

  • Antje Schrupp
  • Lesedauer: 2 Min.

In der Papier-Sonntaz gibt es (leider nicht online) einen Artikel von Johannes Gestert mit dem Titel »Die Enthüllung«, der sich kritisch mit der Gesichtserkennung bei Facebook auseinandersetzt. Darin gibt es einen Absatz, der meines Erachtens sehr deutlich den kulturellen Konflikt zeigt, um den es meiner Meinung nach beim Stichwort »Privatsphäre« geht: »Der Fotograf Wolfram Hahn hat für ein Fotoprojekt junge Leute über ihre Onlineprofile befragt. Manche fanden ihn unverschämt, als er sie auf ihre Bilder ansprach. Als würde er in ihre Privatsphäre eindringen. Dabei stand alles im Netz.«

Die Vorannahme hinter dieser Argumentation ist: Wenn etwas im Netz steht, dann kann es nicht mehr privat sein, dann kann jeder alles mit diesen Daten machen. Es wird so dargestellt, als sei das Rechts- und Unrechtsempfinden der hier zitierten Jugendlichen dumm und naiv. Wenn ihr das Zeug ins Netz stellt, dürft ihr euch nicht beschweren, wenn andere das entgegen euren Intentionen verwenden.

Diese Argumentation ist aber unsinnig, sobald man sie etwa aus dem Netz heraus in die analoge Welt überträgt. Dann würde sie nämlich sinngemäß bedeuten: Du veranstaltest eine Party und lässt dabei auch fremde Leute in dein Haus. Dann musst du dich auch nicht wundern, wenn die deinen Weinkeller austrinken. Im analogen Leben gibt es durchaus ein Bewusstsein dafür, dass man nicht alles, was man machen kann, auch machen darf. Dass nicht alles, wozu man Zugang hat, einem auch gehört und beliebig verwendet werden darf. Warum sollte das im Internet nicht möglich sein? Warum soll die Erwartung der Jugendlichen, dass ein Fotograf versteht, dass private Fotos, die in einem sozialen Netzwerk gepostet werden, nicht dazu gedacht sind, für seine professionellen Projekte verwendet zu werden, falsch sein? Und wie kommt er dazu, diejenigen, die ihn auf seine ungehörigen Übergriffe hinweisen, für naiv und dumm zu erklären? Die Autorin ist Journalistin und Politikwissenschaftlerin und lebt in Frankfurt am Main; zum Weiterlesen: www.antjeschrupp.com

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