Der Kassenwart geht von Bord

Bayerns Regierungschef wurde vom Abgang seines Finanzministers kalt erwischt

  • Lesedauer: 3 Min.
Ein politisches Schwergewicht verlässt das bayerische Kabinett: Finanzminister Georg Fahrenschon zieht es in die Wirtschaft - und Horst Seehofer steht vor dem Problem, rasch einen kompetenten Nachfolger zu finden.

München. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) will schnell einen Nachfolger für Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) präsentieren. »Ich habe vor, das noch vor Allerheiligen zu entscheiden«, sagte Seehofer der »Passauer Neuen Presse« am Samstag. Fahrenschon hatte am Freitagabend angekündigt, sein Amt niederzulegen und am 30. November für den Präsidentenposten beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) zu kandidieren. Seehofer und die CSU wurden von Fahrenschons Abgang kalt erwischt. Die Opposition reagierte mit Häme und Kritik.

Seehofer unterstrich, wie wichtig ihm eine rasche Klärung der offenen Personalie ist: »Wir müssen bei den derzeitigen Herausforderungen in Brüssel und bei der Landesbank handlungsfähig bleiben.« Er habe bereits einen Kandidaten für die Fahrenschon-Nachfolge im Auge und führe zahlreiche Gespräche. Den Rückzug Fahrenschons bedauerte er: »Er ist ein profilierter Mann«, sagte der Ministerpräsident. Daher habe er auch versucht, ihn zu halten.

Zeichen der Auflösung

Als denkbare Fahrenschon-Nachfolger wurden unter anderem Innenminister Joachim Herrmann, Umweltminister Markus Söder und Finanzstaatssekretär Franz Pschierer genannt. Medienberichten zufolge könnte auch Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer Nachfolgerin von Fahrenschon werden. Zudem sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Hartmut Koschyk, dem »Nordbayerischen Kurier«, auch er sei gefragt worden, wolle aber sein Berliner Amt behalten.

Fahrenschon hatte am Freitag in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« erklärt, dass er für das Amt des DSGV-Präsidenten kandidieren wolle. Er tritt gegen Rolf Gerlach an, der schon Anfang September seine Kandidatur für die Wahl des Nachfolgers von Heinrich Haasis erklärt hatte. Die Wahl ist für den 30. November vorgesehen. Er sei von einer Vielzahl regionaler Sparkassenverbände aufgefordert worden, sich für das Präsidentenamt zu bewerben, sagte Fahrenschon. Als Aufsichtsratschef der BayernLB und als früherer Verwaltungsrat der drittgrößten bayerischen Kreissparkasse München-Starnberg hatte er schon Berührung mit der öffentlichen Bankengruppe. Der Chef der CSU-Landtagsfraktion, Georg Schmid, nannte den Abgang des Ministers einen Verlust.

Für die Opposition ist der angekündigte Rückzug des Ministers dagegen ein Zeichen dafür, dass die Staatsregierung in Auflösung begriffen ist. »Es ist unübersehbar: Die Staatsregierung zeigt Zerfallserscheinungen«, sagte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Nach Innenstaatssekretär Bernd Weiß und Staatskanzleichef Siegfried Schneider suche nun auch Fahrenschon das Weite.

Nach Ansicht Rinderspachers hat zu Fahrenschons Entscheidung auch Seehofer selbst beigetragen. Dessen »Flexibilität« in haushaltsrelevanten Sachfragen habe dem Finanzminister »täglich den Schweiß auf die Stirn« getrieben.

Der SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2013, Christian Ude, nannte den geplanten Wechsel Fahrenschons in die freie Wirtschaft ein Zeichen für dessen Realitätssinn. »Für die Landespolitik ist das natürlich ein bemerkenswerter Vorgang, dass einer der Hoffnungs- und Sympathieträger ganz schnell eine glückliche Zukunft anderswo sucht«, so Ude. »Das spricht für den Realitätssinn, den ich an dem Finanzpolitiker Fahrenschon so schätze«, fügte er mit Blick auf die CSU-Wahlaussichten hinzu.

Ude trifft Aiwanger

Zwei Jahre vor der Landtagswahl haben SPD-Spitzenkandidat Ude und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger am Samstag erstmals die Möglichkeit einer gemeinsamen Regierungsübernahme zusammen mit den Grünen ausgelotet. Bei dem ersten persönlichen Treffen betonte Aiwanger allerdings nochmals, derzeit keine Koalitionsaussage treffen zu wollen. Ude zeigte dafür Verständnis.

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