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Perspektivenwechsel

  • Elisabeth Schroedter
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Europaabgeordnete der Grünen ist unter anderem Vizepräsidentin des Ausschusses für Beschäftigung und Soziale Angelegenheiten.
Die Europaabgeordnete der Grünen ist unter anderem Vizepräsidentin des Ausschusses für Beschäftigung und Soziale Angelegenheiten.

Sowohl Deutschland als auch die Europäische Union sind der Konvention der Vereinten Nationen für Menschen mit Behinderungen beigetreten. Damit gehen sie die Verpflichtung ein, das Zusammenleben in einer inklusiven Gesellschaft zu ermöglichen. Eine inklusive Gesellschaft geht von der Anerkennung der Menschenwürde eines Jeden und einer Jeden aus und schließt das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und aktive Teilhabe an der Gesellschaft mit ein. Nicht die Menschen mit Behinderungen sollen, wie beim Integrationsansatz, allein die Anpassung an die bestehenden Strukturen für Menschen ohne Behinderungen vollziehen, sondern die gesellschaftlichen Strukturen müssen so verändert werden, dass sie der Vielfalt der menschlichen Lebenslagen - auch der von Menschen mit Behinderungen - gleichermaßen gerecht werden.

Dies betrifft alle Lebensphasen, angefangen vom Besuch in der gemeinsamen Kindertagesstätte über die gemeinsamen Schule bis zur beruflichen Teilhabe. Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten an einem Arbeitsplatz. Das selbstbestimmte Wohnen, auch im Alter, gehört dazu. Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen ist eine Grundvoraussetzung der inklusiven Gesellschaft. Das bezieht sich auf bauliche Bereiche, auf die Kommunikation, auf die verschiedenen Formen der Mobilität und schließt sprachliche Zugangsbarrieren mit ein. Es ermöglicht Menschen mit einem intensiven Unterstützungsbedarf Teilhabe und Selbstbestimmung. Der inklusive Ansatz bedeutet, dass Sondereinrichtungen überwunden werden und dass auf unterstützende Angebote im Regelsystem umgesattelt wird.

Grundvoraussetzung für die inklusive Gesellschaft ist das Verbot von Diskriminierung in allen Lebensbereichen. Wir als Europäisches Parlament haben deshalb die UN-Konvention in die Fünfte Antidiskriminierungsrichtlinie eingearbeitet und mit ihr ein gutes Gesetz auf den Weg gebracht. Leider schmort es immer noch im Rat, weil die deutsche Bundesregierung mit einer ideologischen Totalblockade einen Ratsbeschluss verhindert. Nicht nur, dass sie damit verhindert, international anerkannten Menschenrechten in der EU eine Rechtsgrundlage zu geben, sie blockiert auch die rechtliche Umsetzung der UN-Konvention auf europäischer Ebene.

Die Fünfte Antidiskriminierungsrichtlinie schließt die Lücke im europäischen Diskriminierungsrecht. Sie beinhaltet die Bereiche außerhalb des Arbeitslebens, die bisher noch nicht geregelt sind. Das betrifft nicht nur die Rechte von Menschen mit Behinderungen, sondern auch den Diskriminierungsschutz für Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität, aufgrund des Alters und aufgrund der Religion und Weltanschauung außerhalb des Arbeitslebens. Für alle diese Menschen bedeutet die Verweigerungshaltung der Bundesregierung, dass ihnen Rechte vorenthalten werden, die beispielsweise Migranten und Migrantinnen schon lange haben, beispielsweise die freie Wahl der Wohnung, das Recht auf Zugang zu allen Bildungseinrichtungen, die Gleichbehandlung bei Versicherungen oder bei den Sozial- und Gesundheitsleistungen.

Das Europäische Parlament hat in seinem Beschluss zur Europäischen Strategie für die Menschen mit Behinderungen den Rat erneut dazu gedrängt, diese Richtlinie - Richtlinien sind europäisches Rahmenrecht - endlich auf den Weg zu bringen, damit die Betroffenen ihre Rechte endlich wahrnehmen können. Solch ein Rechtsrahmen trägt auf natürliche Weise entscheidend dazu bei, eine inklusive Gesellschaft zu gestalten.

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