Drei Tage in Warschau

Antifaschisten kritisieren polnische Behörden

  • Lesedauer: 2 Min.

Die Deutschen hätten ihr Land ein zweites Mal überfallen, titelten polnische Zeitungen nach den Ausschreitungen in Warschau, zu denen es am Nationalfeiertag am Freitag gekommen ist. Doch eben jene geben an, bei den Auseinandersetzungen zwischen rund 10 000 marschierenden Nationalisten, Polizei und linken Gegendemonstranten nicht beteiligt gewesen zu sein. 93 aus Deutschland angereiste Antifaschisten sind nach Angaben der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) schon am Mittag, also lange vor den Krawallen, festgenommen worden. Sie prangern nach zweitätiger Ingewahrsamnahme und ihrer Rückkehr am Sonntag beziehungsweise Montag das Vorgehen der Polizei und die Haftbedingungen an.

»Es war von vorn herein klar, dass wir nicht erwünscht sind«, sagt Sandra von der ALB rückblickend. In den Tagen vor dem »Unabhängigkeitsmarsch«, den polnische Nationalisten und Rechtskonservative jährlich am 11. November abhalten und den die Antifaschisten blockieren wollten, seien sie in den Medien als »rote Faschisten« diffamiert worden. Nach Auffassung der ALB haben die polnischen Sicherheitskräfte nur einen Vorwand gesucht, die vermeintlichen Störer festzunehmen. Als viele der Angereisten am Freitag zunächst ein Café aufsuchten, schien die passende Gelegenheit gefunden.

Was sich in der Haft abspielte, beschreiben inzwischen Zeugen als Menschenrechtsverletzungen. Zwei Personen seien laut ALB von Polizisten zusammengeschlagen worden. Alle Inhaftierten sollen stundenlang kein Essen und Trinken bekommen haben. Zum Teil wurden Dokumente, die die Personen unterschreiben sollten, nicht ins Deutsche übersetzt. Später haben sich die Festgenommenen bei Verhören nackt ausziehen müssen. Erst am Samstag hatten einige der inzwischen auf verschiedene Gefängnisse verteilten 114 Personen Kontakt zu einem Anwalt. Vor Gericht wurden ihnen Anklagen wegen Bewaffnung, Körperverletzung an Polizisten und Störung der öffentlichen Ordnung ausgehändigt. Dann erst wurden sie entlassen. Nun wollen Betroffene prüfen, ob eine Sammelklage gegen ihre Festnahme und die Haftbedingungen möglich ist.

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