Staatlich bezahlter Flop

Kein guter Tausch: Bürgerarbeit für Langzeitarbeitslose statt Öffentlicher Beschäftigungssektor

  • Simone Schmollack
  • Lesedauer: 3 Min.
Berlin plant eine Bürgerarbeit. Aber die gab es in der Hauptstadt schon. Sie nannte sich Öffentlicher Beschäftigungssektor und stammt von der Linkspartei.
Der Begleitservice war Teil des ÖBS in Berlin.
Der Begleitservice war Teil des ÖBS in Berlin.

Ursula von der Leyen ist eine kluge Frau. Aktiv zu sein, sagt sie, sei besser als rumzusitzen. Und Arbeitslose sollen auf jeden Fall etwas tun, egal was, Hauptsache sie sind aktiv. Das ist gut für die Psyche. Und so hat die Bundesarbeitsministerin zu Jahresbeginn das Projekt Bürgerarbeit ausgerufen: 34 000 Langzeitarbeitslose in der gesamten Republik sollen gemeinnützige Arbeit tun. Sie sollen Alte und Behinderte zu Ämtern und zu Ärzten begleiten, Mittagessen in Schulen austeilen oder Ahnungslosen erklären, wie man Energie spart. Wer das 30 Stunden in der Woche macht, bekommt dafür jeden Monat 900 Euro, und das drei Jahre lang.

Klingt erst mal gut. Das findet auch die neue Regierung in Berlin, jetzt ist das eine Große Koalition. SPD und CDU wollen die Bürgerarbeit auch in der Hauptstadt einführen. Aber: Die gab es hier schon. Das Ganze nannte sich Öffentlicher Beschäftigungssektor (ÖBS) und war ein Prestigeobjekt der Linkspartei.

Das soll jetzt der Bürgerarbeit weichen. Doch lohnt sich das wirklich? Was ist dran am Mythos Bürgerarbeit?

Gerade mal ein paar tausend Langzeitarbeitslose sind Bürgerarbeiter, zeigen aktuelle Zahlen aus dem Arbeitsministerium. Das ist viel zu wenig, kritisiert der Deutsche Landkreistag. So manche Kommune zahlt drauf, weil sich dieses Modell für sie nicht rechnet. Einige Städte und Gemeinden haben gar Verfassungsbeschwerde eingelegt, weil sie ihre Hartz-IV-Betroffenen nicht mehr in Eigenregie betreuen dürfen. Mancherorts wird schon von einem Flop der Bürgerarbeit gesprochen.

Das Problem dieses Versuchs, Hartz-IV-Betroffene auf Teufel komm raus zum Jobben zu bringen, liegt schon im Ansatz der Idee: Die schwer Vermittelbaren sollen arbeiten, sie sollen sich weiterbilden und das, was sie tun, soll auch noch der Gemeinschaft nutzen. Aber es darf auf keinen Fall etwas sein, was sie auf den ersten Arbeitsmarkt wuppt. Denn die richtigen Jobs sollen von der Bürgerarbeit nicht verdrängt werden.

Wie geht das? Ganz einfach. Im Gegensatz zu den ÖBS-Jobs, die versicherungspflichtig waren, müssen die Bürgerarbeiter ihre Sozialabgaben selbst zahlen. Arbeitslosenversichert sind sie auch nicht. Auf diese Weise wird verhindert, dass aus Hartz-IV-Betroffenen nach einem Jahr wieder ganz normale Arbeitslose mit Anspruch auf Arbeitslosengeld werden.

Aber das war alles längst bekannt. Denn die Bürgerarbeit gab es nämlich schon, vor fünf Jahren, in Bad Schmiedeberg in Sachsen-Anhalt. Der Bürgermeister der 4000-Seelen-Gemeinde hat sie sich ausgedacht - und er hat es tatsächlich gut gemeint: Die Arbeitslosen halfen in der Bibliothek, im Pflegeheim, im Rathaus. Manche von ihnen waren froh darüber, endlich hatten sie wieder was zu tun, das machte ihnen Spaß, sie gewannen Selbstvertrauen zurück und bekamen Geld dafür.

Aber schon die Organisation eines Schmiedeberger Stadtfestes offenbarte so manche Tücke: Die Bürgerarbeiter sollten Kostüme schneidern, nach ihren Ideen und für wenig Geld. Dagegen wehrte sich die Schmiedeberger Schneiderei, die Bürgerarbeiter würden die Preise drücken. Auch den Park durften die willigen Frauen und Männer nicht fegen, das war Aufgabe der Gärtnerei.

In Berlin entzündet sich der Streit um die Bürgerarbeit obendrein an einem weiteren wunden Punkt: dem Mindestlohn. Während die CDU im Bund gerade über verschiedene Lohnuntergrenzen debattiert, haben sich die Berliner Christdemokraten entschieden: Bei der Bürgerarbeit wollen sie darauf verzichten. Das ruft natürlich sofort die Kritiker auf den Plan: So werde Arbeit erster Klasse geschaffen, die nach zweiter Klasse bezahlt werde, sagen sie. Und so ist es: Das Bürgerarbeitsgeld reicht nicht zum Leben. Und was dann? Dann sitzen die Bürgerarbeiter erneut auf dem Amt und beantragen einen Zuschuss für die Miete.

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