Warum keine Einsicht?

Mathias Edler über Strahlenwerte und zurückgehaltene Akten / Edler ist Atomexperte bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Warum keine Einsicht?

ND: Der Streit zwischen Greenpeace und dem Niedersächsischen Umweltministerium um die Strahlenmessungen am Zwischenlager Gorleben ist weiter eskaliert.
Wir werfen dem Umweltministerium vor, dass es uns Einsicht in wichtige Akten zu dem Strahlenskandal verweigert. Greenpeace hat die Anträge nach dem Umweltinformationsgesetz gestellt. Drei Institutionen haben in Gorleben unterschiedliche Strahlenwerte gemessen. Die Ergebnisse und die Korrespondenz zu den Messaufträgen sind bislang nur bruchstückhaft veröffentlicht worden. Von den fehlenden Akten erwarten wir Aufschluss, ob die Entscheidung über den Castor-Transport in diesem Jahr nach Gorleben politisch motiviert ist.

Welche Akten werden zurückgehalten?
Das Ministerium lehnt vor allem die Einsicht in die vollständigen Messberichte der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und in die wesentlichen Teile des innerbehördlichen Schriftverkehrs ab. Die PTB war ja mit Messungen am Zwischenlager beauftragt worden, nachdem eine Landesbehörde errechnet hatte, dass der Grenzwert von 0,3 Millisievert dieses Jahr überschritten wird. Das Ministerium zog aus den PTB-Ergebnissen den Schluss, dass der Strahlengrenzwert am Zwischenlager nicht erreicht wird. So konnte Umweltminister Sander die Einlagerung weiterer Castorbehälter aus der französischen Plutoniumfabrik La Hague in Gorleben genehmigen.

Sie misstrauen den Messungen?
Nein, nicht den einzelnen Messergebnissen. Wir halten die Art und Weise, wie sich das Umweltministerium aus Werten verschiedener Messorganisationen ein niedriges Ergebnis zusammengebastelt hat, für höchst fragwürdig. Wir haben den Verdacht, dass die Messergebnisse schöngerechnet wurden, um die Castoren nach Gorleben bringen zu können.

Wie begründet das Ministerium seine Weigerung?
Es verweist zum einen formal darauf, dass es sich um verwaltungsinterne Mitteilungen handelt. Andererseits erklärt das Ministerium, dass es kein allgemeines öffentliches Interesse an diesen Informationen gibt.

Für Sie nicht plausibel.
Nein. Wenn an einer Atomanlage der radioaktive Grenzwert überschritten wird, ist das für die betroffene Bevölkerung wohl von allergrößtem Interesse. Dieses Verhalten des Ministeriums verstärkt unsere Zweifel an der Rechtmäßigkeit des kommenden Castortransports.

Warum haben Sie sich nicht auch an die PTB gewandt?
Das haben wir doch gemacht. Die PTB hat diesen weiteren Antrag aber mit der Begründung abgelehnt, die Herausgabe der Messberichte an uns sei ihnen vom Umweltministerium untersagt worden. Die PTB schreibt wörtlich, dass sie als Auftragnehmer dem Umweltministerium das ausschließliche, unbeschränkte Nutzungsrecht am Ergebnis und allen Teilergebnissen der Messung eingeräumt habe. Diese seien somit geistiges Eigentum des Ministeriums. Diese Begründung der Heimlichtuerei ist dreist. Es geht hier ja nicht um irgendwelche Songwriterrechte von Dieter Bohlen, sondern um den Schutz der Bevölkerung.

Fragen: Reimar Paul

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