Jünger, transparenter, weiblicher

Landesparteitag: Berliner LINKE will aus Fehlern lernen / Mehrere Mitglieder erhielten vergangene Woche Drohbriefe

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 3 Min.
Berliner DGB-Chefin Doro Zinke (2.v. r.) wünschte sich fortdauernde Zusammenarbeit mit der LINKEN.
Berliner DGB-Chefin Doro Zinke (2.v. r.) wünschte sich fortdauernde Zusammenarbeit mit der LINKEN.

»Es ist uns insgesamt nicht oder nur unzureichend gelungen, unsere Regierungsbeteiligung mit einem politischen Projekt zu verbinden, das von einem Großteil unserer potenziellen Wählerschaft getragen wurde.« Landeschef Klaus Lederer zog am Samstag Bilanz. Auf einem Landesparteitag debattierten die Delegierten der Berliner LINKEN über Konsequenzen aus der Wahlschlappe und Zukunftspläne.

Nach zehn Jahren in der rot-roten Berliner Regierung sitzt die LINKE nun wieder in der Opposition. Die zweite Legislaturperiode habe noch mit einem guten Start begonnen, so Lederer. Danach sei man jedoch im »Kleinklein der Koalitionsdynamik versackt, statt mobilisierend Kraft« auf sich zu ziehen. Er gab »gravierende Fehleinschätzungen« zu, beispielsweise mit Blick auf das Thema steigender Mietpreise. »Das ist ein Problem, das wir in unserer Regierungszeit viel zu spät erkannt haben, und das fällt uns jetzt auf die Füße«, sagte die Abgeordnete Evrim Sommer.

»Wir sind abgewählt worden, weil wir in den vergangenen zehn Jahren eine mangelnde linke Politik im Senat gemacht haben«, sagte Thomas Licher, Fraktionsvorsitzender im Bezirk Neukölln während der knapp fünfstündigen Debatte. »Wir haben diese Stadt verändert«, betonte der Abgeordnete Wolfgang Albers. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Dietmar Bartsch, rief dazu auf, die Zeit im Berliner Senat als »Erfahrungsschatz« zu nutzen.

Viele LINKE beschworen einen Neuanfang. Lederer appellierte an die Delegierten, die Partei solle die Führung auf der Oppositionsbank übernehmen. Fraktionsmitglied Udo Wolf sagte mit Blick auf das rot-schwarze Regierungsbündnis, das schleichende Gift eines Frank Henkel und noch schlimmer eines Robin Juhnke (beide CDU) sei »drin in diesem Koalitionsvertrag«. »Diese Koalition braucht eine starke Opposition«, so Lederer. Dafür müsse die LINKE sich aber verändern.

»Wir müssen jünger, transparenter, weiblicher werden und wir müssen Ost-West-Partei werden«, forderte nicht nur Landesvorstandsmitglied Tobias Schulze. »Wir können es uns nicht leisten, gegen die linke Szene dieser Stadt Politik zu machen.« Der Parteitag beschloss, die Strukturen des Landesverbandes neu aufzustellen und Mitglieder stärker zu beteiligen. Außerdem will die Linkspartei engere Bande zu sozialen Bewegungen und gesellschaftlichen Gruppen knüpfen.

Drohungen per Postkarte

Überschattet wurde die Aufbruchsstimmung bei einigen Parteimitgliedern: In der vergangenen Woche hatten mehrere LINKE Postkarten bekommen, auf denen in einer wirren Zusammenstellung von Zeitungsschnipseln diffuse Drohungen geäußert wurden. Unter anderem hat der Lichtenberger Sebastian Schlüsselburg eine solche Nachricht erhalten. Worte wie »tödlicher Streit«, »tödliche Kugeln«, »Totschlag« und »Sig Saur Pistolen« sind darauf zu lesen. Schlüsselburg hat besagte Karte auf seiner Website veröffentlicht und die Sache der Polizei gemeldet, nun wird ermittelt. »Offenbar haben auch andere Genossinnen und Genossen derartige Postkarten erhalten«, so Schlüsselburg, obgleich die Ausschnitte dort von anderen Themen handeln. Er könne einen rechtsextremen Hintergrund nicht ausschließen. Während seines Wahlkampfes in Lichtenberg habe er sich stark antifaschistisch engagiert.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal