Tausendfacher Ruf nach Abzug

Großdemonstration in Bonn gegen NATO-Krieg in Afghanistan

  • Marcus Meier, Bonn
  • Lesedauer: 2 Min.
Am Sonnabend demonstrierten etwa 4500 Menschen gegen die heute in Bonn beginnende internationale Afghanistan-Konferenz. Ihre Hauptforderung: sofortiger Abzug aller NATO-Truppen aus dem Land am Hindukusch.

»Nach mehr als 30 Jahren Krieg im leidgeprüften Afghanistan ist die Voraussetzung für Frieden und einen selbstbestimmten, eigenen, unabhängigen Entwicklungsweg der sofortige, auch einseitige Waffenstillstand und der Abzug aller Interventionstruppen«, heißt es in der Abschlusserklärung des Protestbündnisses. »Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung sind in Afghanistan nur ohne Besetzung durch fremde Truppen und deren Förderung von Warlords und autoritären Strukturen möglich.«

Zuvor war der Demonstrationszug friedlich durch die Bonner Innenstadt gezogen. Auf der Abschlusskundgebung kam es jedoch zu einem Zwischenfall: Der als Redner eingeladene Grünen-Politiker Christian Ströbele wurde von einer kleineren Zahl von Teilnehmern mit Buhrufen empfangen, eine rund 20 Personen starke Gruppe begann, einen der letzten verbliebenen Kriegsgegner der Grünen-Bundestagsfraktion mit Gegenständen zu bewerfen. Ein rund 30 Zentimeter langes Holzstück verfehlte Ströbele nur knapp. Dann traf ihn Ei am Kopf, er trug zudem eine Risswunde auf der Nase davon. Das Aktionsbündnis, das die Proteste organisierte und neben linken auch kirchliche Gruppen wie »Pax Christi« umfasst, bedauerte den Vorfall ausdrücklich. Ströbele beklagte in seiner Rede den verstärkten Einsatz von »Killerdrohnen« und »Killerkommandos« und die zunehmende Zahl illegaler Tötungen in Afghanistan.

Vor Ströbele hatte bereits Gregor Gysi zu den Teilnehmern gesprochen: »Wir wollen raus aus der Logik des Krieges«, sagte der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag. Wolfgang Uellenberg vom Bundesvorstand der Gewerkschaft ver.di sagte, Afghanistan sei in die Steinzeit gebombt worden. Die wahren Gründe für den Krieg seien »geostrategische Interessen« und »die immensen Profite der Rüstungsindustrie«. Die ehemalige afghanische Parlamentarierin Malalai Joya bezeichnete die Afghanistan-Konferenz als »weiteres schmerzhaftes Spiel mit dem Schicksal des Volkes«. Die Konferenz sei eine Versammlung »von Warlords, Drogenbaronen und westlichen Technokraten«. Die Proteste sollen heute fortgesetzt werden.

Zur »Petersberg-II-Konferenz« werden Delegationen aus 90 Ländern erwartet, darunter rund 65 Außenminister. Offiziell geht es um Pläne für die Zeit nach 2014, wenn die NATO-Truppen wie vorgesehen abgezogen sind. Unmittelbar vor der Konferenz forderte Präsident Hamid Karsai Milliardenhilfen der internationalen Gemeinschaft bis mindestens 2024. Das Geld werde für den weiteren Aufbau von Armee, Polizei und staatlichen Institutionen benötigt, sagte er dem »Spiegel«. Karsai hofft auch auf militärische Hilfe aus Deutschland nach 2014: »Aus unserer Sicht könnte die Bundeswehr für immer bleiben.« Tagesthema Seite 2

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