DNA-Phantom-Bild

  • Reinhard Renneberg, Hongkong
  • Lesedauer: 2 Min.
Zeichnung: Chow Ming
Zeichnung: Chow Ming

Kann aus der DNA das Alter eines Menschen bestimmt werden? Erster Gedanke: Nein, denn die DNA-Sequenz im Genom ist doch wohl das ganze Leben lang fixiert. Zweiter Gedanke: Rich᠆tig - aber nicht die zusätzlichen Modifizierungen der DNA!

Die häufigste der zusätzlichen DNA-Modifizierungen ist eine Methylierung, das Anheften einer CH3-Gruppe. Normalerweise passiert das an der DNA-Base Cytosin (C). (Die vier Basen C, A, T, G sind Ihnen ja inzwischen geläufig.) Von den insgesamt drei Milliarden Basen beim Menschen sind einige hunderttausend Cytosin-Stellen im Genom dafür zugänglich.

Diese Modifikationen beeinflussen das Ablesen der DNA in verschiedenen Geweben, verschiedenen Entwicklungsstadien und Umwelteinflüssen. Nur so lassen sich die neuesten Ergebnisse der Epigenetik erklären, z. B. warum eine Überernährung unserer Vorfahren vor 200 Jahren bei uns heute zu erhöhter Diabetes führt. Die DNA-Sequenz selber ist schließlich stabil!

Nun wurde entdeckt, dass etwa 100 dieser Modifikationen auch eng mit dem Alter zusammenhängen. Durch die Analyse bestimmter Cytosin-Modifikationen kann man das Alter auf etwa fünf Jahre genau abschätzen. Ein Team an der Erasmus-Universität Rotterdam hat ein Verfahren entwickelt, das Hinweise auf die Augen- und die Haarfarbe sowie das ungefähre Alter des unbekannten »DNA-Spenders« liefert.

Nach einer ausführlichen Genomanalyse, für die eine DNA-Menge aus sechs Zellen genügt, lassen sich nun blaue oder braune Augen mit über 90-prozentiger Präzision zuordnen. Es gelang aber auch die DNA-»Vorhersage« der Haarfarben: schwarz mit fast 90 Prozent Sicherheit, bei blond und braun noch mit gut 80 Prozent Trefferquote.

Das freut die Kriminalisten. Diese Tests könnten in der Forensik immer weiterhelfen, wenn das DNA-Profil nach dem Abgleich mit einer Datenbank keinen Hinweis auf eine konkrete Person bringt. Mit dem »Phantombild aus dem Genom« wären fehlende Tatzeugen zumindest teilweise zu ersetzen. In Deutschland ist es allerdings nicht erlaubt, aus der DNA abgeleitete Daten über äußere Merkmale systematisch zu erfassen. Anderswo jedoch dürften Kriminalisten wohl bald bei kniffligen Kriminalfällen die DNA-Spuren vom Tatort nach solchen Hinweisen durchsuchen lassen.

1972 hörte ich mit Begeisterung den Liedermacher Reinhard Mey. Sie erinnern sich?

»Der Mörder war wieder der Gärtner, und er plant schon den nächsten Coup.«

Doch was, wenn uns künftig die DNA-Analyse sagt, der Mörder sei wahrscheinlich 60 plus minus 5 Jahre alt, hat blaue Augen und war ursprünglich blond? Der Gärtner aber ist ein jüngerer Mann, braunäugig und dunkelhaarig!

Wer also war es? Das Cartoon hilft hier auch nicht weiter ...

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal