Hardliner macht Weihnachtspause

Innenminister Schünemann und der Fall Bonesta

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit 20 Jahren lebt die Familie Bonesta in Deutschland, im kommenden März sollte sie nach Montenegro angeschoben werden. Niedersachsens CDU-Innenminister Uwe Schünemann hat diesen Schritt jetzt zwar aufgeschoben, doch will er die ab 2012 geltenden Neuregelungen für Duldungen strikt anwenden. Der zuständige Landrat sucht einen Ausweg und Oppositionspolitiker fordern eine Bleiberechtsregelung, die Fälle von Alleinerziehenden, Kranken, Alten und Traumatisierten berücksichtigt und von einer vollständig eigenständigen Lebensunterhaltssicherung absieht.

Hat Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) Kreide gegessen und angesichts des nahenden Weihnachtsfestes die Aufenthalts-Duldung einer Roma-Familie in Ostfriesland verlängert? Das darf angenommen werden, denn aus dem Haus des Abschiebe-Hardliners kam überraschend die Nachricht: Die seit zwanzig Jahren in Deutschland lebende Familie Bonesta wird nicht, wie angekündigt, im März nach Montenegro abgeschoben, sondern darf »erst mal« sechs Monate länger in ihrem deutschen Heimatort Esens bleiben.

Grundlage für die drohende Abschiebung ist ein Bundesgesetz, das am 1. Januar des kommenden Jahres in Kraft tritt. Es besagt, dass nur solche Migranten in Deutschland geduldet werden, die ihren Lebensunterhalt zu 100 Prozent selbst bestreiten. Das bislang geltende Gesetz verlangt nur einen »überwiegenden« Eigenanteil.

Just zum NDR-Termin

Die Lebenskosten voll zu tragen, ist der Familie Bonesta unmöglich. Mutter Kumrija ist alleinerziehend und kann für sich und ihre sechs Kinder - vom 16-jährigen Sohn bis zur vier Wochen alten Tochter - nur 69 Prozent des Unterhalts aufbringen. Nach dem neuen Gesetz heißt das: Abschiebung nach Montenegro, in ein Land, dessen Sprache keines der Bonesta-Kinder spricht. Sie sind in Deutschland aufgewachsen und laut Aussage kommunaler Stellen bestens integriert. Auch Esens Gesamtgemeinderat sprach sich für ein Bleiberecht der Bonestas aus.

Just als nun ein Team des NDR-Fernsehens die Familie aufsuchte, klingelte dort das Telefon. Matthias Köring, der parteilose Landrat des Kreises Wittmund, teilte mit: Die Kreisverwaltung habe mit dem Innenministerium vereinbart, dass die Duldung erst einmal um sechs Monate verlängert wird. Große Freude löste diese Nachricht bei Kumrija Bonesta und ihren Kindern aus, doch vom Tisch ist die Abschiebung damit nicht. Noch gilt: aufgeschoben, aber nicht aufgehoben.

Landrat Köring appellierte an Mutter Bonesta, sie solle Pässe für die Kinder ausstellen lassen. Diese könnten dann aufgrund ihrer guten Integration einen Aufenthaltstitel bekommen, der sie vor Abschiebung schütze. Für die Mutter würde eine Duldung ausgesprochen; diese gelte, bis das jüngste Kind volljährig ist.

Wer jedoch annimmt, Minister Schünemann sei nun etwas »milder« geworden und werde künftig von seiner Hardliner-Position abweichen, irrt sich gar sehr. Denn laut Köring drängt das Innenministerium darauf, die ab Januar geltende 100-Prozent-Regelung »strikt anzuwenden«, im Klartext: Wer nicht genug Geld aufbringen kann, wird abgeschoben.

Lob für den Landrat

Die Grünen im niedersächsischen Landtag bekräftigten in einer Erklärung zum Fall Bonesta, das neue Gesetz dürfe einer alleinerziehenden Mutter mit sechs Kindern nicht zum Verhängnis werden. Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen, Filiz Polat, forderte: »Wir brauchen endlich eine Bleiberechtsregelung, die Fälle von Alleinerziehenden, Kranken, Alten und Traumatisierten berücksichtigt und von einer vollständig eigenständigen Lebensunterhaltssicherung absieht.«

Auf der letzten Innenministerkonferenz, so erinnerte Polat, habe sich Minister Schünemann gegen eine an humanitären Gesichtspunkten orientierte Verlängerung der Bleiberechtsregelung gewandt. Sie monierte »Schünemanns Blockadehaltung beim Bleiberecht und immer wieder vorkommende Schikanen aus dem Innenministerium«.

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, Pia Zimmermann, erklärte gegenüber nd: »Ich begrüße es sehr, dass die Politik vor Ort der rigiden Abschiebepolitik von Innenminister Uwe Schünemann in diesem Fall nicht folgen will. Der Innenminister sollte der Familie ein Bleiberecht gewähren, damit sie nicht weiter unter der Unsicherheit der jetzt ausgesprochenen sechsmonatigen Duldung leidet.«

Mehr als 10 000 Menschen

Das reiche aber auf Dauer auch nicht aus, sagte Zimmermann, denn die Familie Bonesta sei kein Einzelfall. »In Niedersachsen leben mehr als 10 000 Menschen, die länger als sechs Jahre in Deutschland sind, ohne Aussicht auf einen unbegrenzten Aufenthaltsstatus«, gibt die Abgeordnete zu bedenken. Diejenigen von ihnen, die ein Bleiberecht erhielten, müssten befürchten, es wieder zu verlieren, beispielsweise, wenn sie arbeitslos werden.

Vor diesem Hintergrund, betont Zimmermann, sei es dringend erforderlich, dass sich Minister Schünemann endlich auf Bundesebene für eine humane Bleiberechtsregelung einsetzt, »statt diese weiterhin zu blockieren«.

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