Leitungswasser statt Sprudel

Der Einfluss des dänischen EU-Vorsitzes ist gering. Die Sparvorgaben aber sollen Schule machen

  • Stefan Tolza, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Leitungswasser in großen Karaffen statt Sprudel in kleinen Fläschchen, Busse mit Platz für viele statt Limousinen für jeden einzelnen Gast: Die Zeichen stehen auf Sparen bei der dänischen EU-Ratspräsidentschaft. Der Höflichkeitsbesuch der Brüsseler Entscheidungsträger dieser Tage in Kopenhagen machte das deutlich.

»Nur« 35 Millionen Euro wollen die Nordeuropäer ausgeben für ihre herausgehobenen Aufgaben bei der EU zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni. Das wäre, wenn das Budget eingehalten würde, die preiswerteste Ratspräsidentschaft seit 2006. Vorgänger Polen berechnete für seine Präsidentschaft noch gut dreimal so viel.

Das Signal kann gleich dreifach gewertet werden. Zunächst ist es eine Geste der Dänen an ihr eigenes Volk. Warum verschwenderisch Gelder für EU-Aufgaben verprassen, wenn die Ausgaben im eigenen Land eingedämmt werden müssen? Eine ähnliche Wirkung soll gegenüber den Partnern in der Union erreicht werden. Zwar machen sich Brüsseler Kreise angeblich schon lustig über Dänemarks Spargehabe und sprechen von »Leitungswasserpräsidentschaft«, was nicht unbedingt als Auszeichnung gelten soll. Doch den bescheidenen, aber selbstbewussten Dänen wird das egal sein.

Letztlich kann der Sparkurs auch als Folge des Bedeutungsverlustes interpretiert werden, den die wechselnde EU-Ratspräsidentschaft der Mitgliedsstaaten erlitten hat. Der frühere Glanz ist dahin. Seit der Vertrag von Lissabon greift, hat die EU einen dauerhaften Ratspräsidenten. Er übernimmt viele der Funktionen, die bis dahin der Regierungschef des Mitgliedslandes ausübte, das die Präsidentschaft innehatte. Dementsprechend ist es Herman Van Rompuy und nicht die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt, die die Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel leitet. Ebenso wenig vertritt die Dänin die EU im Ausland, seit es den Posten der Außenbeauftragten gibt.

Dazu kommt der Bedeutungsverlust, der sich aus der wieder verstärkten Praxis der Regierungszusammenarbeit ergibt. Dass plötzlich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy die eigentlichen Hauptakteure bei den Ratstreffen in Brüssel sind, ist ein Zeichen der schwachen Positionen, die die nominellen Führer der EU haben.

So haben auch die Schwerpunkte, die Dänemark für seine Ratspräsidentschaft formuliert hat, kaum Bedeutung für die reale Politik. Sie tragen nur der derzeitigen Krise Rechnung und der Notwendigkeit, diese zu überwinden. Ansonsten führen sie die politischen Dossiers weiter, die sowieso auf der EU-Tagesordnung gestanden hätten. Mit oder ohne Dänen.

Die vier Prioritäten, die Dänemark dennoch formuliert und in einem 62-seitigen Programm näher ausgeführt hat, sind als Schlagwörter so schön wie allgemein. Sie sagen kaum etwas aus, wie so viele der fast schon propagandistischen Worthülsen, mit denen die EU-Einrichtungen ihre Programme belegen. So wollen die Dänen an einem verantwortlicheren, dynamischeren, grüneren und sichereren Europa arbeiten. Keiner wird diesen Zielen widersprechen wollen. Schon Polen hatte erkennen müssen, dass trotz des Willens zum Gestalten einer EU-Ratspräsidentschaft nicht mehr viel Spielraum bleibt, wirklich Einfluss auszuüben. Die Hauptaufgaben liegen im guten Organisieren, Arbeiten im Hintergrund, einem freundlichen Lächeln für die Fassade. Oder auch in Gesten, mit denen man Vorbild sein kann. Die Dänen scheinen gerade Letzteres bereits verstanden zu haben.

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