Sylvias Kleidchen in Ravensbrück

KZ-Gedenkstätten bereiten neue Dauerausstellungen vor

Weil der Dachstuhl mit schadstoffhaltigen Holzschutzmitteln belastet ist, verzögert sich die Sanierung der ehemaligen Kommandantur auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück. Bis Ende des Jahres sollen die 2,6 Millionen Euro teuren Bauarbeiten jedoch beendet sein. Auf zwei Etagen werden insgesamt 900 Quadratmeter Fläche für die neue Hauptausstellung geschaffen. Die vorherige sei 18 Jahre alt, erklärte Gedenkstättenleiterin Insa Eschebach gestern bei einer Jahrespressekonferenz der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Inzwischen gebe es etliche neue Erkenntnisse. So sei viel mehr über die Täter bekannt. Früher habe man Genaueres nur über zwei Komandanten und eine Aufseherin gewusst.

Für die neue Hauptausstellung werden rund 1500 Exponate aus aller Welt zusammengetragen. So wurde schon ein Babykleidchen zur Verfügung gestellt. Das Kleid gehörte der Niederländerin Sylvia Elizabeth van Otten, die im KZ Ravensbrück zur Welt kam und dort im Februar 1945 starb - nur einen Monat nach ihrer Geburt. Die Mutter überlebte und nahm das Kleid mit in ihre Heimat. In den Niederlanden ist das Schicksal der Sylvia van Otten sehr bekannt, denn es gibt ein Lied darüber.

Eine gute Nachricht hatte Eschebach, was die Erinnerung an das ehemalige Jugendschutzlager Uckermark in der Nachbarschaft des KZ Ravensbrück betrifft. Sobald der Frost vorbei ist, könne die Beräumung des Geländes von Garagen der sowjetischen Truppen erfolgen, sagte sie. Bürgerinitiativen bemühen sich schon lange um einen würdigen Gedenkort an dieser Stelle, weiß Eschebach.

Keine Bewegung gibt es indessen für eine angemessene Erinnerung an die Hinrichtung politischer Häftlinge im Zuchthaus Brandenburg. Erschwert wird das Anliegen zwar dadurch, dass sich die Hinrichtungsstätte inmitten des immer noch benutzten Gefängnisses befindet. Das sei jedoch nicht das eigentliche Problem, versicherte Stiftungsdirektor Günter Morsch gestern. Justizminister Volkmar Schöneburg (LINKE) verhalte sich wie schon seine Amtsvorgängerin Beate Blechinger (CDU) äußerst zuvorkommend. Die große Schwierigkeit bestehe darin, dass der Bund keine regelmäßigen Fördergelder zusichere. Die Zurückhaltung erklärt sich Morsch auch damit, dass bei Brandenburg oft an Erich Honecker gedacht werde. Die Nazis hatten den kommunistischen Jugendverbandsfunktionär und späteren SED-Generalsekretär dort eingesperrt.

Die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen veränderte mittlerweile ihr Gesicht. Die zur Einweihung der Gedenkstätte 1961 errichtete Mauer mit den kreuzartigen Schlitzen wurde bis auf den Sockel abgetragen. Dadurch sollen die Dimensionen des Lagers wieder besser zu erfassen sein. Am 20. April kommt Kulturstaatsminister Bernd Neumann zur Übergabe der neu gestalteten Freiflächen, kündigte Morsch an. Für Sachsenhausen-Oranienburg ist eine neue Dauerausstellung zur dort einst ansässigen Inspektion der Konzentrationslager vorgesehen. Bisher gab es im sogenannten T-Gebäude, das heute zu einem kleinen Teil von Stiftungsbüros, vor allem aber vom Finanzamt belegt ist, lediglich eine kleine Ausstellung. Nun soll deutlicher darauf aufmerksam gemacht werden, dass hier die KZ-Inspekteure Theodor Eicke und Richard Glücks die Ausbeutung und Vernichtung der Häftlinge planten. Ihre Untergebenen registrierten beispielsweise jeden Ermordeten. Morsch spricht vom wichtigsten erhaltenen Ort der Schreibtischtäter, da der Dienstsitz des SS-Reichssicherheitshauptamtes in Berlin nicht überdauerte. Die frühere Funktion des T-Gebäudes sei zu wenig bekannt. So wüsste mit der Angabe kein Taxifahrer am Bahnhof Oranienburg etwas anzufangen. Denen sei nur das Finanzamt ein Begriff.

Öffnen will die Stiftung ab Frühjahr einen bislang unzulänglichen Teil des alten Sonderlagers Sachsenhausen. Hier hielt die SS Prominente wie Österreichs Bundeskanzler Kurt Schuschnigg oder Stalins kriegsgefangenen Sohn Jacov Dschugaschwili fest.

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