Klimarettung mit Kochlöffel

Berliner Compagnie zeigt in »So heiß gegessen wie gekocht«, dass politisch korrektes Theater weder moralinsauer noch spaßfrei sein muss

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

In Restaurantküchen herrscht ein rauer Ton, das weiß man. Auch im abgehalfterten Gasthof »Zur schönen Aussicht« punktet die Küchenmannschaft nicht mit Sensibilität. Den verschlafenen Sohn des Chefs erschreckt erst der begabte Neuzugang Wolfgang mit einer toten Ratte, dann herrscht ihn sein Vater an: »Ein echter Koch heult nicht, wenn er sich schneidet!« »Ich hab’ doch schon vorher geheult«, jammert der Junior, doch das hilft ihm auch nicht.

Eine eher unsympathische Truppe stellt die Berliner Compagnie in ihrem neuen Stück »So heiß gegessen wie gekocht« dar - zumindest bevor Wirtstocher Doris, die in den Semesterferien als Kellnerin aushilft, die Küche zum Revolutionsherd gegen gewissenlose Umweltsünder macht. Erst mal jedoch schwingt ein unmotivierter Haufen unter Leitung der ganz aufs Geld fixierten Wirtin Ulrike den Kochlöffel: Neben ihrem tollpatschigen Sohn Hansi rührt Vater Norbert als Chefkoch in den Töpfen, ein Altlinker, der seine Ideale längst im Rotwein ertränkt hat. Und der nicht einmal aufbegehrt, als seine Frau der afrikanischen Spülhilfe Ibrahim seinen kargen Lohn verweigert - schließlich hat der keine Papiere.

Sein Kollege, der neu eingestellte Wolfgang, hilft ihm auch nicht; der verbitterte Zyniker ist zwar ein echtes Talent am Herd, doch menschlich ein Reinfall, der den Gästen statt Kalbsfleisch auch mal Ratte vorsetzt - immerhin vorzüglich gewürzt.

Kein Wunder, dass die Chefin das Angebot der Firma Green Coal, die auf dem Grundstück des Gasthauses ein Kohlekraftwerk errichten möchte, sofort annehmen will, winken doch eine Million Euro. Tochter Doris jedoch wehrt empört ab: die schöne Landschaft! Das Klima! Und wohin mit Ibrahim! So ruft der kleine Gasthof zum Widerstand auf, zieht vor Gericht und wird zum Widerstandsnest der Kohlekraftgegner - erst vegetarische, dann vegane Küche inklusive. Doch so einfach wie gedacht lässt sich das Bündnis aus Stromkonzern und örtlichen Honoratioren nicht besiegen ...

Mit charmant altmodischem Witz, schrägen Sprüchen und leiser Selbstironie führt die Berliner Compagnie hier wieder einmal vor, dass politisch korrektes Theater weder moralinsauer daherkommen muss noch spaßfrei. Lediglich Natascha Menzel als engagierte Studentin Doris nervt mit belehrenden Monologen über Energieverbrauch und Klimakatastrophe, muss sich aber prompt von Wolfgang fragen lassen, ob »sie einen an der Waffel« habe. Die vielen pointierten Dialoge und spitzen Sprüche machen die unnötigen Klimapredigten ohnehin wett. Überraschend originell und sehr gelungen sind diesmal die Gesangseinlagen, die zu den Stücken der Berliner Compagnie gehören wie das Tofu zum Veggie-Menü - statt alternativer Liedermacher-Leierei singen die Darsteller Opernstücke von Mozart, Rossini und Verdi, ausgestattet mit neuen Texten, oder liefern sich schmissige Percussions-Duelle mit Wetzstahl und Quirl auf Töpfen und Brettern. Überhaupt die Bühnenausstattung: Angepasst an die Zwänge des Tourneetheaters, das die Berliner Compagnie ja nach wie vor ist, besteht die »Küche« aus vier rollbaren Alu-Containern, die mal als Herd und Arbeitsplatz dienen, mal als Aufbewahrung oder Beratungstisch. Doch um aufwändige Bühnenbilder geht es ja auch nicht: Was das Stück liebenswert macht, sind gerade der optimistisch-naive Grundton und die Überzeugung, dass jeder etwas bewegen kann - eine Sichtweise, die in Zeiten von Wutbürgertum und Occupy-Bewegung wieder modern ist. Gut gezeichnet sind die Protagonisten - keine Helden, sondern normale Menschen mit Schwächen und Fehlern, deren einstiger Idealismus im Alltag abhanden gekommen ist. Regisseurin Elke Schuster, die auch die Wirtin spielt, zeigt Typen, ohne sie zu Schablonen zu machen: Wie gerade der Alt-68er Norbert (»Wir haben mal als Kollektiv angefangen!«) seinen Chef-Status mit Zähnen und Klauen verteidigt, wie Gutmensch Doris den Heiratsantrag von Ibrahim beleidigt abwehrt, führt typisch menschliche Unzulänglichkeiten vor.

Wieder 18.2., 24./25.2., 19.30 Uhr, und 19./26.2., 17 Uhr; Muskauer Str. 20 a, Kreuzberg, Karten unter 030/ 612 804 93

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