Claudia Roth eröffnet Machtkampf

Grünen-Vorsitzende will Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl werden

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei den Grünen ist ein Machtkampf um die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2013 ausgebrochen. Als Erste meldet nun Parteichefin Claudia Roth Ansprüche an.

Die Zeit der Zurückhaltung in der Personaldebatte bei den Grünen ist vorbei. Die Vorsitzende Claudia Roth ließ kürzlich ihre Partei via »tageszeitung« wissen, dass sie als Spitzendkandidatin für die Bundestagswahl im kommenden Jahr zur Verfügung stehe. Die Ankündigung kommt recht früh. Bis zur Bundestagswahl sind immerhin noch eineinhalb Jahre Zeit. Doch Roth sah sich offensichtlich unter Zugzwang, eine alleinige Spitzenkandidatur des Fraktionschefs Jürgen Trittin zu verhindern. »Die Lösung, dass ein einzelner Mann die Grünen im nächsten Bundestagswahlkampf anführt, wird es mit mir als Parteichefin nicht geben«, erklärte Roth.

Aus Parteikreisen hieß es, dass sich Vertreter des Realoflügels für eine alleinige Spitzenkandidatur Trittins ausgesprochen hätten. Sonderlich überraschend ist das nicht. Trittin hatte sich kürzlich als vehementer Unterstützer des rechtskonservativen Bundespräsidentenkandidaten Joachim Gauck hervorgetan. Zudem schwadroniert der rhetorisch begabte Fraktionschef regelmäßig in Polit-Talkshows und im Bundestag über die europäische Wirtschaftskrise. Seine Vergangenheit im Kommunistischen Bund ist ihm dabei nicht anzumerken.

Im ZDF äußerte sich Trittin nicht gerade begeistert über Roths Vorstoß. »Jeder muss für sich wissen, ob solche Personalspekulationen zum jetzigen Zeitpunkt Sinn machen. Ich beteilige mich nicht daran«, so Trittin.

Roth hatte auch eine mögliche Urwahl ins Spiel gebracht, um die Basis über die Spitzenkandidaten entscheiden zu lassen. Am wahrscheinlichsten ist, dass die Grünen mit einer Doppelspitze in den Wahlkampf ziehen werden. Ein möglicher Gegenkandidat für Trittin ist derzeit nicht in Sicht. Ko-Parteichef Cem Özdemir hat bisher jedenfalls keine Ansprüche angemeldet.

Am Spitzenduo müsste zudem mindestens eine Frau beteiligt sein. Roths Ankündigung ist somit auch eine indirekte Kampfansage an Ko-Fraktionschefin Renate Künast, die 2009 gemeinsam mit Trittin als Spitzenkandidatin angetreten war. Sollte sich Künast nun auf einen parteiinternen Machtkampf mit Roth einlassen, hätte sie die geringeren Chancen. Denn Künast hatte sich im Wahlkampf um das Berliner Abgeordnetenhaus im Herbst vergangenen Jahres so manche Peinlichkeit geleistet und musste gegen den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit eine krachende Niederlage hinnehmen. Ihre Position in der Partei ist seitdem massiv geschwächt.

Die von Roth losgetretene Personaldebatte könnte für die Grünen in den kommenden Wochen auch zur Belastung werden. Denn den Wähler schreckt kaum etwas mehr ab, als parteiinterne Machtkämpfe und Zerstrittenheit.

Auch inhaltlich haben die Grünen derzeit für einen erfolgreichen Wahlkampf nicht allzu viel zu bieten. Die Energiewende eignet sich nicht als großes Thema. Bliebe also noch die sogenannte europäische Schuldenkrise. Hierbei hat sich die Partei aber in den vergangenen Monaten nicht sonderlich glaubwürdig präsentiert. So stimmten die Grünen reihenweise für Maßnahmen der Bundesregierung, die sie vorher als unzureichend kritisiert hatten. Ein mögliches Spitzenduo Trittin/Roth würde diese Politik nahtlos fortsetzen.

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