Die »Judenlücke« von Friedland

Ausstellung in Potsdam informiert über die einst rund 50 Synagogen in Brandenburg

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 2 Min.

»Mittenwalde wünscht keine Juden.« Bis es zu einer halbwegs gleichberechtigten Lage der Juden in Preußen kam, dauerte es Jahrhunderte. Zwei Ausstellungen im Potsdamer Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zeichnen den Weg nach. Es wird auch informiert, was von den einst rund 50 Synagogen in Brandenburg heute noch übrig ist.

Die nimmermüden Beteuerungen, wie tolerant Königs Friedrich II. gewesen sei - sie sind gerade wieder aus Anlass seines 300. Geburtstags zu vernehmen - erhalten hier einen gehörigen Dämpfer. Was die Juden betraf, so wollte Friedrich »mit ihnen nichts zu tun haben«, sagte Professor Julius Schoeps, Direktor des Moses Mendelsohn Zentrums, am Freitag. Der König bezeichnete die Juden als »Ungeziefer«, betrieb die zahlenmäßige Begrenzung dieser »Sekte« und warnte seine Nachfolger in seinem Testament ausdrücklich vor ihnen. Das Judenreglement, das der König 1750 erließ, wurde vom französischen Grafen Mirabeau als »Dokument des Kannibalismus« bezeichnet. Doch schränkte Schoeps ein: Immerhin haben die bis dahin völlig Rechtlosen als »Schutzjuden« wenigstens ein paar Rechte erhalten. Dies sei »besser als nichts« gewesen.

1812 wurde unter dem Freiherrn vom Stein das Emanzipationsedikt erlassen, das einem Teil der Juden das Bürgerrecht einräumte. Preußen ging damit noch lange nicht so weit wie die Jakobinerdiktatur, die knapp 20 Jahre zuvor die französischen Juden anderen Bürgern gleichstellte. Richard Lesser, dessen Urahn Jacob Levin endlich preußischer Staatsbürger wurde durfte, präsentierte am Freitag stolz die abgestempelte Urkunde von damals.

Einige Worte fielen bei der Gelegenheit zum Streit um den Neubau einer Synagoge in Potsdam. Was ihr äußeres Aussehen betreffe, müsse man »anknüpfen an die Traditionsgeschichte«, forderte Schoeps. Ausstellungskuratorin Elke-Vera Kotkowski verwies darauf, dass die meisten Synagogen, Bethäuser oder Betlokale in Wittstock, Treuenbrietzen, Brandenburg/Havel, Rathenow oder Oranienburg sehr schlichte Gebäude waren, in denen nicht nur gebetet, sondern auch beraten wurde. Fast alle dieser Gebäude haben die Nazizeit nicht überstanden. Auch die 1767 errichtete Potsdamer Synagoge wurde 1938 geschändet und im Zweiten Weltkrieg durch Bomben zerstört. 1955 wurde die Ruine abgetragen. Noch heute heißt die Stelle in Friedland, wo eine kleine Synagoge stand, im Volksmund die »Judenlücke«.

Ausstellungseröffnung am Sonntag, 14 Uhr, HBPG, Am Neuen Markt 9 in Potsdam, Di. bis Do. 10 bis 17 Uhr, Fr. bis 19 Uhr , Sa. und So. bis 18 Uhr, Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 3,50 Euro

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.