Versteckt in Berlin

Ausstellung über Fluchtorte jüdischer Verfolgter in der Nazizeit

  • Wolfgang Weiß
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) besuchte die Ausstellung.
Auch Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) besuchte die Ausstellung.

Der Backsteinbau des Michael-Brückner-Hauses gegenüber dem S-Bahnhof Schöneweide beherbergt nicht nur ein Bürgeramt, sondern auch das Zentrum für Demokratie Treptow-Köpenick (ZfD). Durch einen Nebeneingang gelangt der Besucher zu einer kleinen, aber aufrüttelnden Fotoausstellung. Unter dem Thema »Dem Leben hinterher - Fluchtorte Jüdischer Verfolgter« haben sich Sibylle Baier und Daniela Friebel auf eine fotografische Spurensuche begeben.

Herausgekommen ist eine lehrreiche, aber auch beklemmende Dokumentation über ein weniger bekanntes Kapitel der jüngeren Geschichte. Es geht um das Schicksal jüdischer Mitbewohner in der Nazizeit, die versucht haben, sich dem 1941 beginnenden Massendeportationen in die Vernichtungslager zu entziehen. Man geht davon aus, das bis 1942/43 fast 7000 Juden in die Illegalität abgetaucht sind, um zu überleben. Dabei halfen ihnen viele Berliner furchtlos und todesmutig, denn bei einer Entdeckung hätten sie ihre Hilfsbereitschaft mit dem Leben bezahlt.

Die Foto-Wanderausstellung zeigt 18 ausgewählte Orte in Berlin und Umgebung, wo sich die Verfolgten zu verbergen suchten. Dazu gehörten Kirchen- und Werkstattkeller ebenso wie Gartenlauben, Wohnungen, Pensionen und sogar eine Badeanstalt und eine Zollstation. Die Fotos der einzelnen Fluchtorte, oft gegenübergestellt mit historischen Aufnahmen, wirken jedes für sich alltäglich und wenig spektakulär. Brisanz aber erhält das Ganze durch die begleitenden Texte, in denen Einblicke in das dramatische Leben der Verfolgten und ihrer Helfer gegeben wird. Ein Dokumentarfilm, der zur Eröffnung der Ausstellung gezeigt wurde, lässt Retter und Gerettete zu Wort kommen. Rund 10 000 Berliner, so erfuhr man dort, versorgten die Untergetauchten mit Lebensmitteln, falschen Papieren, vermittelten Verstecke oder nahmen sie bei sich auf. Dennoch gelang es bei weitem nicht allen Untergetauchten, die Naziherrschaft zu überleben.

Zu den Helfern von damals gehörte auch Otto Weidt, der am Hackischen Markt eine Blindenwerkstatt leitete. An ihn erinnert heute das Museum Blindenwerkstatt, das seinen Namen trägt. In Zusammenarbeit mit dem Förderverein Blindes Vertrauen e.V. entstand die Fotoausstellung, zu der die Schriftstellerin Inge Deutschkron, eine der Überlebenden, den Anstoß gegeben hatte.

»Die Veranstaltenden«, wie das ZfD, behalten sich vor, so heißt es in einer Mitteilung, »von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zu der Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen«. Ein berechtigter Hinweis angesichts des nur wenige hundert Meter entfernten Neonazi-Treffs »Zum Henker«.

Die Ausstellung in der Michael-Brückner-Straße 1 ist bis zum 16. März täglich von 11 Uhr bis 16 Uhr geöffnet. Voranmeldung Tel/Fax: 65487293.

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