Putz in Pompeji

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Soeben haben EU und Italien eine kulturfördernde Großsumme beschlossen: 105 Millionen Euro für die Sanierung der »Touristenattraktion« Pompeji.

Goethe in seiner »Italienischen Reise«: »Es ist viel Unheil in der Welt geschehen, aber wenig, das den Nachkommen so viel Freude gemacht hätte wie der Untergang von Pompeji.« Es muss erst etwas einstürzen, es muss erst etwas enteignet, verschüttet, verlassen, gesprengt, rückgebaut, entsorgt werden, damit es Gegenstand größeren Interesses, ja der Trauer werden kann. Metapher für Mächte und Menschen. Nur endgültiger Verlust steigert das Empfinden fürs Unwiederbringliche.

105 Millionen Euro dafür, dass Touristen aus aller Welt vor dieser Wahrheit sinnend verstummen? Welche Summe könnte garantieren, dass jemand so einen Ort der »Attraktion« anders verlässt, als er ihn betrat. »Wie von Troja blieb, Pompeji, nur ein Trümmerfeld./.../ Schrecklich für die eigne Blindheit haben sie gebüßt.« Schreibt Durs Grünbein in »Porzellan«, Poem über den Untergang Dresdens.

Pompeji ist nicht Vergangenheit, sondern Zukunft. Die ist nicht Neuzeit, sondern Bleibezeit fürs uralte Zeichen: Vergänglichkeit. Pompeji wurde ausgegraben, Touristenattraktion. Aber nichts Totes mahnt gegen die Blindheit für Katastrophen - wir müssen einander selber, heilsam, ermahnen. Utopia bleibt der noch ungefundene Ort, an dem diese wirkliche Attraktion geschehen könnte. Sabine Stefan

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